Nickel Vogelpfeifer by Pressler Mirjam

Nickel Vogelpfeifer by Pressler Mirjam

Autor:Pressler, Mirjam [Pressler, Mirjam]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


9.

Nickel schaut sich um. Kein Mensch ist zu sehen. Er schiebt mit dem Fuß die Pedale am Rad zurecht, steigt auf und fährt. Das Rad schwankt. Nach zwei, drei Metern wackelt es so sehr, daß Nickel abspringen muß. Er versteht das nicht. Auf Djangos Rad kann er doch auch fahren, wenigstens dann, wenn Django ihm hilft. Dabei ist Djangos Rad höher als dieses da. Nickel atmet tief durch. Dann versucht er es noch einmal. Diesmal geht es schon ein bißchen länger, aber abspringen muß er trotzdem. Hinter sich hört er ein Bellen.

Ein alter Mann mit einem kleinen Hund nähert sich. Nickel schiebt das Rad zur Seite und zieht die Schultern hoch. Der Hund kläfft, beschnüffelt ihn und springt an ihm hoch. Nickel bleibt stocksteif stehen.

»Du wirst doch keine Angst vor so einem Hündchen haben«, sagt der Mann und zerrt an der Leine. Dabei schaut er Nickel an und verzieht das Gesicht, als würde er lachen. Aber das ist kein Lachen, Nickel kann es genau sehen. Der Mann grinst so hämisch, als wüßte er alles über Nickel und das rote Fahrrad.

Nickel wartet, bis Mann und Hund hinter der Biegung verschwunden sind. Dann übt er weiter. Rauf auf das Rad, runter vom Rad. Einmal gelingt ihm der Absprung nicht rechtzeitig, und er stürzt samt Fahrrad in einen Holunderstrauch. Die Zweige zerkratzen ihm Arme und Beine. Sein rechtes Knie blutet sogar ein bißchen, aber komischerweise tut es nicht weh.

Nickel hebt das Rad hoch und untersucht es genau. Nichts ist passiert, noch nicht einmal der Lenker ist verbogen. Erleichtert steigt er wieder auf.

Also weiter. Schließlich ist Nickel so müde vom vielen Üben, daß er nur noch schnaufen und zittern kann. Aber immerhin schafft er schon ein ganz schönes Stück.

Nickel schaut sich um. Prüfend betrachtet er den Bahndamm und wählt dann einen schönen, dichten Busch mit kleinen weißen Stinkblüten, der in einer Mulde auf halber Höhe wächst. Schwitzend und keuchend zerrt er das Rad die Böschung hinauf. Diesmal hat er vor lauter Anstrengung Wackelpuddingknie. Oder ist es doch Angst? Er denkt an den Mann mit dem Hund und schaut den Weg hinunter. Niemand.

Nickel schiebt das Rad quer zum Hang hinter das Gebüsch und legt es dort ins Gras. Dann rutscht er vorsichtig wieder zum Weg hinunter. Sein Knie brennt. Er befeuchtet seinen Finger mit Spucke und reibt es ein. Ein bißchen weh tut es ihm jetzt doch.

Er schlendert den Bahndamm entlang bis zu der Stelle, von der aus die Kleingartensiedlung zu erkennen ist. Dann dreht er sich um und geht in die andere Richtung bis dahin, wo der Weg abknickt und man weiter hinten, halbverdeckt von Bäumen, die Häuser stehen sieht. Dabei läßt er den Stinkblütenbusch nicht aus den Augen.

Er grunzt wie ein sehr zufriedenes Schwein. Nichts ist von dem Rad zu sehen, nicht das kleinste bißchen Silber. Doch als er wieder die Böschung hochklettert, blitzt es an einer Stelle auf. Nickel reißt ein paar Zweige vom nächsten Strauch ab und verstopft damit das verräterische Sichtloch.

Dann hockt er sich hinter das Gebüsch zu dem Fahrrad. Die Mulde hinter dem Stinkblütenbusch ist flacher und größer, als man es von unten sehen kann.



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