Musste das sein, Herr Doktor? by Klaus Haselbruner
Autor:Klaus Haselbruner
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-902923028
Herausgeber: Aumayer druck + verlag
veröffentlicht: 2013-02-21T16:00:00+00:00
IV
Obwohl er seinen Gedanken nachhing, die ihn noch bis zur Eingangstüre des Kaffeehauses begleiteten, kam er deutlich zu früh am Treffpunkt an.
Ohne zu zögern wählte der Landarzt den gleichen Tisch aus, an dem er sich am Vortag mit dem Freund getroffen hatte, stellte vorher den an jenen Tagen obligat nassen Regenschirm in den vorgesehenen Ständer und setzte sich so, dass er jeden Neuankömmling im Blickfeld hatte.
Er sah zu dem Kellner hinüber. Eben war der noch gelangweilt neben der Kuchenvitrine auf einem Reservesessel gehockt. Hatte in der Tageszeitung geblättert. Jetzt war seine Aufmerksamkeit durch den eintreffenden Gast geweckt worden.
Es waren um diese Zeit keine Kundschaften da. So wie gestern Nachmittag. Da waren nur die beiden Ärzte an jenem Tisch gesessen. Aber die waren ohnehin mit sich selbst beschäftigt. Wahrscheinlich eine hochfachliche Diskussion. Einen kannte der Kellner. Ein Anästhesist, wie sie sagten, oder – Narkosearzt, wie er es verstand. Jedenfalls hatte er dessen Foto schon einmal in der Zeitung gesehen und einen unverständlichen Artikel darunter gelesen. Jetzt war er in seinem Kaffeehaus. Eine Berühmtheit. Sicher ein hervorragender Arzt.
Der andere hatte nachdenklicher gewirkt, gelassener. Obwohl beide ziemlich gleich alt sein dürften.
Anfangs hatte der Kellner versucht, einige Fetzen aus dem Gespräch aufzufangen. Eine Unterhaltung zwischen zwei Ärzten konnte interessant sein. Vielleicht über Patienten? Problematisch? Gar eine Schweinerei? Aber wahrscheinlich sprachen sie nur über Geldanlagen. Auch ein Problem für diese Geldsäcke.
Heute ging es dem Kellner gar nicht gut.
Kein Interesse an Gästen.
Nur Schmerzen.
Er kämpfte mit seiner Verpflichtung, aufzustehen und den neu angekommenen Gast nach seinen Wünschen zu fragen.
Er hatte das öfter. Plötzliche Kopfschmerzen. Mit Lichtblitzen und Flimmern vor den Augen. Oft meinte er, die Übelkeit und der Schwindel würden ihm die letzte Mahlzeit durch die Kehle jagen. Der Brechreiz ließ aber wieder nach. Was blieb, war dieser grässliche Kopfschmerz, der ihm die Schädeldecke zu sprengen drohte.
Er sollte nicht so viel rauchen.
Und fünf oder sechs Tassen Espressokaffee waren auch nicht gesund.
Das wusste er alles. Auch ihn hatten Ärzte aufgeklärt. Aber wie sollte er seinen Dienst versehen? Ohne Zigaretten und Kaffee? Er war überzeugt davon, dass er diese kleinen Stützen brauchte, um die Arbeit zu erledigen. Außerdem rauchte er schon dreißig Jahre lang. Seit dem Bundesheer. Wie sollte er da noch aufhören können.
Und keinen Kaffee trinken? So ein Blödsinn! Er kannte gar keinen Kellner, der ohne Kaffee den Dienst bewältigte . Da sollten sie einmal hierher kommen und zehn Stunden im Kaffeehaus arbeiten, die Herrn Doktoren! Und das ohne Kaffee!
Aber diese Kopfschmerzen waren auch unerträglich!
Kein Doktor hatte ihm bis jetzt vernünftig helfen können. Nur diese Scheißtabletten. Da konnte er sich aussuchen, ob er an den Tabletten oder an seinen Kopfschmerzen sterben wollte. Lauter Gift!
Anfangs hatten sie ihm Medikamente verordnet, die jeden Tag einzunehmen waren. Aber er hatte nicht täglich Kopfschmerzen. Warum also sollte er Pillen schlucken, wenn er beschwerdefrei war?
Dann gaben sie ihm etwas für die starken plötzlichen Schmerzen. Sie nannten es Akutphasen. Er bezeichnete es als Scheißanfälle. Diese Tabletten waren das reine Gift. Wahrscheinlich erzeugten sie diese Pillen, damit die Kasse ihre Problempatienten los wurde.
Er hatte ja seine eigenen Tabletten gehabt.
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