Morgenrot by Heitmann Tanja

Morgenrot by Heitmann Tanja

Autor:Heitmann, Tanja [Heitmann, Tanja]
Die sprache: rus
Format: epub, mobi
Tags: Roman
ISBN: 3453266056
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-03-30T22:00:00+00:00


16. Wahre Lügen

Auf dem Weg zu Adams Wagen, der direkt vor dem großen Eingangsportal des Hauses mit weit offen stehender Fahrertür geparkt stand, begegnete ihnen Megan. Adam nahm kurz den Arm von Leas Schulter und tauschte mit Megan einige leise Sätze aus, dann half er Lea beim Einsteigen.

Schweigend fuhren sie in Richtung Innenstadt, bis Adam unvermittelt den Wagen am Straßenrand anhielt und ausstieg. Noch ganz aufgewühlt von der bedrohlichen Auseinandersetzung, deren Zeugin sie soeben geworden war, stieg Lea ebenfalls aus. Es brauchte einen Moment, bis sie erkannte, wohin er sie gebracht hatte: in das lebendigste Viertel der Stadt, an dessen Rand auch ihre eigene Wohnung lag.

Lea mochte dieses kleinteilige Geflecht aus Straßen, in denen zu jeder Tages- und Nachtzeit rastloses Gewusel herrschte. Sie liebte die Buchläden, die noch mit persönlichem Ehrgeiz und einem aus der Mode gekommenen Bewusstsein, dass es die Menschheit zu bilden und in ferne Welten zu entführen galt, betrieben wurden. Sie mochte die kuriose Mischung aus Gemüseständen.Tätowierbuden und Secondhandshops ebenso gern wie die bunte Schar, die plärrende Kleinkinder an der Hand hinter sich herzog oder den Nachmittag beim Durchstöbern von Pappkartons voller Vinylplatten verbrachte. Es war ein klarer, wenn auch kalter Frühlingstag. Einige Cafes hatten Tische und Stühle auf dem Gehweg aufgebaut, und zahlreiche Passanten nutzten die Gelegenheit, um ein paar Sonnenstrahlen einzufangen.

Die Geräuschkulisse aus Geplauder, Autolärm und Musikfetzen beruhigte ihre Nerven. Doch kaum konnte sie einmal befreit ausatmen, da erinnerte sie sich an das Bild, wie Pis sorgfältig lackierte Zehen auf dem Boden auftippten. Lea blieb mitten auf der Straße stehen und reagierte auch nicht, als Adam sie mit einem Mal grob am Ellbogen packte und zur Seite riss.

»Was soll das?«, fragte sie verärgert.

Anstelle einer Antwort deutete Adam lediglich auf einen jungen Kerl auf einem Skateboard, der sie beinahe umgefahren hätte. Der zeigte ihr nun, über die Schulter zurückblickend, einen Vogel.

Lea lachte leise. »Na, so was«, sagte sie und schmiegte sich an Adams Seite, was dieser ohne zurückzuweichen geschehen ließ.

Es war eine gute Idee von ihm gewesen, hier haltzumachen. Denn der Anblick dieser pulsierenden Alltagswelt gab Lea die Möglichkeit, durchzuschnaufen und den sich in Schräglage befindenden Kosmos des Würfelhauses abzuschütteln. In diesem Augenblick wollte Lea nichts lieber, als für den Rest ihres Lebens entlang der belebten Straßen des Viertels zu spazieren und über den Einkauf von Kartoffeln und die anfallende Stromrechnung nachzudenken.

Voller Elan beschleunigte sie ihre Schritte, woraufhin Adam ihr einen besorgten Blick zuwarf, als befürchte er, dass es sich lediglich um ein letztes Aufbäumen vor dem Zusammenbruch handelt. Dann schlenderten sie eine Zeit lang in Gedanken versunken nebeneinander her, gerade so, als wären sie ein natürlicher Bestandteil des Straßenlebens und nicht zwei Flüchtlinge, die für einen kurzen Moment Unterschlupf in der Realität suchten.

An einem Gebäckstand kaufte Adam ein mit Marzipan gefülltes Croissant, in das Lea zaghaft biss, nachdem sie sich auf eine Parkbank gesetzt hatten. Als ihre Geschmacksknospen verzückt auf die überwältigende Süße des Marzipans reagierten, stellte Lea erleichtert fest, dass das Leben sie zurückhatte. Allerdings setzte damit auch das Begreifen ein, was Pi mit seinen Bezichtigungen angedeutet hatte.



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