Mord im Dom by Jürgen Kehrer

Mord im Dom by Jürgen Kehrer

Autor:Jürgen Kehrer
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-02-20T23:00:00+00:00


Der Papst wählte seine Worte mit Bedacht. Der Mann auf dem Klappthron, dem er gegenüberstand, entschied über sein Schicksal. Karl konnte ihn wie einen gewöhnlichen Verbrecher behandeln oder seine Autorität als Bischof von Rom anerkennen. Leo mußte den Frankenherrscher überzeugen, ihn und seine Berater.

„Da es in den Ländern des Oströmischen Reiches keinen rechtmäßigen Kaiser mehr gibt, weil, wie Ihr wißt, die Kaiserinmutter ihren Sohn hat blenden lassen, wodurch der Thronerbe zu Tode gekommen ist, und da Kaiserin Irene sich, in ihrer Ruchlosigkeit, zur Alleinherrscherin ausgerufen hat, obwohl nach altem Gesetz einer Frau der Titel des Basileus nicht zusteht, halten Wir, und mit uns die gesamte Christenheit, es für angemessen und richtig, das nomen imperatoris Euch, dem Frankenkönig, zu übertragen.“

Der Papst machte eine Pause, um seine Rede wirken zu lassen.

„Denn Ihr besitzt Rom, wo stets die Caesaren zu residieren pflegten, außerdem beherrscht Ihr Italien, Gallien und Germanien. Gott der Allmächtige hat diese Länder Eurer Autorität unterstellt, und so entspricht es dem Wunsch der ganzen Christenheit, wenn Ihr, König Karl, auch den Titel des Kaisers tragt.“

Karls Gesicht war wächsern. Kaiser! Wie lange schon hatte er sich diesen Titel gewünscht! Seine Söhne hatte er bereits zu Mitkönigen gemacht. Den Rang eines Kaisers einzunehmen, gleichgestellt dem Herrscher von Byzanz, wäre die Krönung seines Lebenswerkes.

„Wir schlagen vor“, fuhr Leo getragen und feierlich fort, „daß die Krönung noch in diesem Jahr in Rom erfolgt. Alle Welt soll sehen, daß Ihr der neue Imperator und Augustus seid.“

Das nachfolgende Schweigen war mit den Händen zu greifen. Niemand wagte, ein Wort zu sagen oder sich auch nur zu räuspern.

Der Papst neigte den Kopf und lächelte. Er mochte ein Mann mit Fehlern sein, aber er hatte ein gewinnendes und einnehmendes Wesen. „Ich hatte gehofft, daß Ihr meinen Wunsch freudiger aufnehmen würdet.“

Karl schluckte. Seine Stimme klang noch ein bißchen heller als üblich. „Wir werden über Euren Vorschlag nachdenken, Heiliger Vater.“

Leo verbeugte sich. „Ihr wißt, wo Ihr Uns findet.“



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