Mit Gerhart Hauptmann, Erinnerungen und Bekenntnisse aus seinem Freundeskreis by Heynen Walter 1889- & Hauptmann Gerhart 1862-1946

Mit Gerhart Hauptmann, Erinnerungen und Bekenntnisse aus seinem Freundeskreis by Heynen Walter 1889- & Hauptmann Gerhart 1862-1946

Autor:Heynen, Walter, 1889- & Hauptmann, Gerhart, 1862-1946
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Berlin, Stilke
veröffentlicht: 1922-05-14T16:00:00+00:00


Sigwin Statu. hart Hauptmann zu seiner geplanten Dichtung „Germanen und Römer"/

ich hörte eine singende, langgezogene Stimme: „Heute Abend gehn wir bei die Düse". Es war bezwingend lustig, diese junge, sich räkelnde Seligkeit zu hören, es war so lustig, weil es aus dem innersten Ernst kam. —

Mein Schicksal entschied sich, als das Jahr 1893 begann. Brahm überzeugte mit Jonas' Assistenz meinen Vater, daß es besser in jeder Hinsicht sei, mich freizulassen. Auch Hauptmann sprach für mich. Mein Vater, der mir einst das „Friedensfest" aus der Hand gerissen und in Fetzen fortgeschleudert hatte, spürte nun doch, daß etwas unheimlich Bedeutungsvolles mit mir vorging. Auch für das Berliner Bürgertum, dem er angehörte, war Hauptmann damals schon ein Faktor — man mußte auf ihn hören. So resignierte denn mein Vater mit der Bemerkung: „Es gibt ja weiße Raben", und beschlossen wurde, daß ich zum Herbst als Student nach München ziehen sollte. Aus dem Kontor wurde ich schon im Frühling entlassen, und die erste Arbeit, die ich freiheittrunken schrieb, war die Novelle /rDamon Kleist". Sie nahm ich im Sommer mit, als ich meine Mutter nach Warmbrunn begleitete.

Nun sollte eine rege Gemeinsamkeit mit Hauptmann für mich kommen, die reichste wohl, die ich erlebt habe. Meine Mutter siedelte mit mir nach Schreiberhau über und ich kam fast täglich in Hauptmanns Haus. Es war eine bedeutsame Zeit des Dichters. Er nahm alle Kraft für sein Bestes zusammen, und das Beste der ersten Schaffensperiode entstand: „Hanneles Himmelfahrt". Außer mir waren damals Felix Holländer und Max Marschalk oft seine Gäste. Der Letztgenannte schrieb die Musik der entstehenden Traumdichtung, und von ihm hörte ich Andeutungen, die mich mit sehnsüchtiger Spannung erfüllten. Lange konnte Hauptmann sich nicht entschließen, das vollendete Werk vorzulesen. Es war ihm heilig einsamer Besitz. Auf Wanderungen

über den Gebirgskamm, durch Wald und Feld ließ seine starke, scheue, indirekte Art nur hervorblitzen, was mit dem Hannele gewollt war. Er begeisterte sich für Fritz von Uhde, zu dem er mich später in München sandte, und aus den Bildern dieses Meisters wehte mich schon der Duft des schlesischen Weihespieles an.

Dann, eines schönen Tages — wir saßen alle im Garten, auch meine Mutter war zugegen — sprang Hauptmann plötzlich auf und rief: „Na, Hirschfeld, möchtest Du's hören?!"

Er brach auf, und wir folgten ihm schleunig, damit die schwer erreichte Stimmung nicht wieder verflog. Oben im Arbeitszimmer saßen wir tief gespannten Freunde, und Bruder Karl, dessen menschliche Pracht ich nun auch kennen gelernt, sorgte für Ruhe. Das war nicht so einfach, denn er selbst war eigentlich der Unruhigste, und der liebe Wichtel bellte unten so beharrlich, als ob ihn Hanneles Himmelfahrt gar nichts anginge. Karl tobte zu dem Hund hinunter — wir dachten, um den armen Wichtel sei es geschehen, aber gewiß wuide er sehr milde stumm gemacht, denn Karl Hauptmann, der weise Stürmer, bezwang sich immer im rechten Augenblick.

Max Marschalk saß am Klavier — auch die Hannele-Musik sollten wir jetzt vernehmen. Frau Marie blieb unsichtbar. Ihr war die Dichtung gewidmet. Sie mußte allein sein, während sie lauschte und in ihre eigene Ferne sah.

Hauptmann las. Es war einer jener Eindrücke, die das ganze Leben begleiten.



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