Melmoth der Wanderer by Maturin Charles R

Melmoth der Wanderer by Maturin Charles R

Autor:Maturin, Charles R. [Maturin, Charles R.]
Die sprache: eng
Format: epub


DREIZEHNTES KAPITEL

Da saß ein Geist in dem Gewölb’,

Nach Farbe, Form und Antlitz dem Leben gleich.

Southeys Thalaba

»Ich bin gewiß, daß, wäre jener Gang auch so lang und verschlungen gewesen wie nur irgendeiner, dem jemals ein Altertumsforscher in den Pyramiden auf der Suche nach dem Grab des Cheops gefolgt ist, ich denselben, blind vor Verzweiflung wie ich war, dennoch weitergerannt wäre, bis Hunger oder Erschöpfung mir Einhalt geboten hätten. Jedoch von solchen Gefahren konnte nicht die Rede sein, weil Boden wie Wände des Ganges geebnet und ausgekleidet waren, so daß ich, obschon in tiefster Finsternis, doch in aller Sicherheit vorankam. Und vorausgesetzt, daß mein Dahinwandeln mich nur weit genug von Verfolgung und Entdeckung durch die Heilige Inquisition fortführte, so scherte es mich keinen Deut, auf welche Weise dies wohl enden mochte.

Inmitten so zeitweilig hochgestimmter Verzweiflung, in einem Zustand also, darin der Kleinmut dem Mut die Hand reicht, gewahrte ich einen schwachen Lichtschimmer. Im Näherkommen gewahrte ich, daß dies Licht durch die breiten Fugen einer Tür fiel, deren Gefüge infolge der unterirdischen Feuchtigkeit nachgegeben hatte und mir auf diese Weise einen so umfassenden Einblick in das dahinter befindliche Gemach gewährte. Zwischen einigen Landkarten und Erdgloben gewahrte ich mehrere Instrumente, deren Verwendungszweck zu erkennen mir meine damalige Unwissenheit noch nicht gestattete, über die ich aber heute weiß, daß sie zum Teil der Anatomie dienten. Auch waren da ein Elektrisierapparat sowie ein kurioses Elfenbein-Modell einer Folterbank. Bücher gab es nur wenige, doch lag da eine Reihe von Pergamentrollen, welche große, in Mennige und Ocker ausgeführte Charaktere aufwiesen. An jeder der vier Wände aber war eines der im ganzen vier Totengerippe postiert, keines jedoch in einem Glaskasten, sondern jedes in einer Art aufrecht stehendem Sarg, was der knöchernen Hohlheit eine Bedeutsamkeit verlieh, so als wäre dies klapprige Totengebein der eigentliche und rechtmäßige Hausvater so beispiellosen Gemäuers.

Am Ende eines Tisches saß ein sehr alter, in ein langes Gewand gehüllter Mann. Auf dem Haupt trug er ein Käppchen von schwarzem Samt, das mit einer breiten Pelzverbrämung besetzt war. Seine Augenbrille war so groß, daß sie beinahe das ganze Gesicht einnahm, welches über mehrere Pergamentrollen gebeugt war, die der Lesende mit vor Eifer bebender Hand um und um wandte. Dann, indem er seinen Tischgenossen, nämlich einen Totenschädel, mit Fingern ergriff, welche kaum weniger knochig und um nichts weniger gelblich waren, schien er denselben ernsthaft anreden zu wollen. Angesichts dieser höllischen Orgie war mir alle Angst um mein eigenes Schicksal vergangen. Während ich aber so vor der Tür kniete, machte mein lange unterdrückter Atem sich in einem Stöhnen Luft, welches alsbald an das Ohr der am Tisch sitzenden Gestalt drang. Unverzüglich überwand die dem Mann eigene Wachsamkeit alle Gebrechen des Greisenalters, welche ihm sonst anhaften mochten, und so wurde die Tür aufgerissen, noch ehe ich mich dessen recht versehen: ich fühlte meinen Arm von einer Hand gepackt, welche unter aller Runzlichkeit des Alters nichts von ihrer Kraft eingebüßt hatte, so daß ich mich in den Krallen eines wahrhaftigen Teufels zu befinden wähnte.

Nachdem der Alte die Tür wieder geschlossen und verriegelt



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