Meine Preise by Bernhard Thomas

Autor:Bernhard, Thomas [Bernhard, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2015-01-27T23:00:00+00:00

Der Anton Wildgans-Preis

Anton Wildgans ist, wie Weinheber, ein Wiener Vorstadt-Hölderlin, der genau auf die österreichische Volksseele paßt. Der Preis, der nach ihm benannt ist, wird von der Industriellenvereinigung vergeben, die auf dem Wiener Schwarzenbergplatz ihren Sitz hat, in einem Prachtpalais aus der Gründerzeit. Eine Woche, bevor ich den Österreichischen Staatspreis bekommen sollte, teilte mir der Präsident der Industriellenvereinigung, der inzwischen längst verstorbene Mayer-Gunthof, mit, die dafür zuständige Jury habe beschlossen, in diesem Jahr, also neunzehnhundertsiebenundsechzig, mir ihren Preis zu geben. Der Präsident endete sein Schreiben mit der handelsüblichen Formel, daß er sich außerordentlich freue, mir diese Mitteilung machen zu können. Zu gegebenem Zeitpunkt erhalte ich die Einladung zu dem Festakt. Der Preis sei mit fünfundzwanzigtausend Schilling dotiert. Ich machte mir über Wildgans keine Gedanken, denn ich schätzte ihn tiefer ein als meine Schriftstellerfreunde in der Jury, die aus was für einem Grunde immer, jedenfalls aus einem absurden, auf die Idee gekommen waren, neunzehnhundertsiebenundsechzig mir den Wildgans-Preis zuzuschanzen. An den österreichischen Schauspielschulen ist es üblich, daß die Schüler sich ganz inständig mit Wildgans beschäftigen und vornehmlich lernen sie schon für die Aufnahmsprüfung ein Stück aus dem Stück Armut und sie sagen alle Augenblicke Wildgansgedichte auf und wenn es darum geht, eine hochoffizielle Staatsfeier abzuhalten, sei es im Burgtheater oder in der sogenannten Josefstadt oder auch in irgendeinem Ministerium, wird mit Sicherheit auf Wildganswerke zurückgegriffen. Die dilettantische Auffassung von Dichtung des Österreichers hat hier, wie auch in Weinheber, ihr Ideal gefunden und es wird bis auf den heutigen Tag überall, wo es etwas zu feiern gibt, praktiziert. Die Leute bewundern an Wildgans nicht nur die, wie sie meinen, außerordentlich wahrhaftige Dichtkunst, sondern vor allem, weil er einmal Burgtheaterdirektor gewesen ist. Ich selbst habe an Wildgans immer seinen posauneblasenden Sohn bewundert, der ein ganz und gar genialer Musiker gewesen ist und der zu den hoffnungsvollsten Komponisten seiner Zeit gehört hat. Aber ich will hier nicht über Wildgans selbst, sondern über den Preis mit seinem Namen sprechen. Ein paar Tage, bevor die Staatspreisverleihung im Ministerium auf dem Minoritenplatz stattgefunden hat, war die Einladung zu dem Festakt in der Industriellenvereinigung bei mir angekommen, ein pompöses, von der berühmten Druckerfirma Huber & Lerner auf dem Kohlmarkt gedrucktes Papier, auf welchem als besonderer Ehrengast der Minister Piffl-Perčević angegeben war. Wenn ich, dachte ich, anstatt der alten, schon beinahe vollkommen verfaulten äußeren Fensterflügel meines Hauses, neue anschaffen will, muß ich den Preis annehmen und also hatte ich beschlossen, den Wildgans-Preis anzunehmen und mich in die Salonlöwenhöhle auf dem Schwarzenbergplatz zu begeben. Überhaupt hatte ich gedacht, daß der Mensch immer Geld nehmen solle, wo man es ihm anbietet und er solle niemals lange herumfackeln über das Wie und Woher, alle diese Überlegungen sind doch immer nur nichts anderes als ausgewachsene Heuchelei und so machte ich bei meinem örtlichen Tischlermeister die Bestellung auf meine Außenfenster, ich erspare mir dadurch eine Menge Heizkosten, so meine Überlegung. Fünfundzwanzigtausend Schilling aus heiterem Himmel weist kein vernünftiger Mensch zurück, wer Geld anbietet, hat es und es soll ihm genommen werden, dachte ich. Und die

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