Mea culpa by Anne Holt

Mea culpa by Anne Holt

Autor:Anne Holt [Holt, Anne]
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783492952422
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2012-04-28T05:58:30+00:00


24

Die Katastrophe holte sie schon nach drei Tagen in Form eines Telefonanrufes ein. Das, worauf Synne eigentlich gewartet hatte, von dem sie jeden Tag geträumt hatte, über das sie beide nur nicht sprechen konnten, es war zu gefährlich für Rebecca und zu wünschenswert für Synne, jetzt kam es.

Als sie vom Strand zurückkehrten, wurden sie an die Rezeption gerufen.

»Señora Schultz, please. Señora Schultz!«

Synnes instinktive Angst verstärkte sich noch, als sie hörte, wie der Mann hinter dem Tresen mit öligglattem Gesicht etwas über einen Anruf aus Norway sagte.

Es kommt ja vor, dass wir aus dem Ausland zu Hause anrufen, zumeist, um mitzuteilen, dass alles in Ordnung ist, wishing you were here und so (Synne hatte es sich zum Beispiel zur Gewohnheit gemacht, Rebecca anzurufen, egal wo auf der Welt sie sich gerade aufhielt – ihre Durchwahlnummer im Büro natürlich, niemals zu Hause –, und auch wenn sie in den letzten zwei Jahren kaum verreist war, höchstens nach Alesund oder Kragero oder so, hatte sie es doch auch geschafft, ausgerechnet von Moskau aus durchzukommen, wo sie im Vorjahr, als das Land noch Sowjetunion hieß, eine überflüssige, vom Ministerium veranstaltete Konferenz besucht hatte). Aber es war etwas ganz anderes, selbst unterwegs angerufen zu werden. Das war ein Verstoß gegen alle Regeln, gegen das, was fast schon als Vertrag zwischen allen Reisenden und ihren Angehörigen bezeichnet werden konnte. Man ruft zu Hause an. Wer zu Hause ist, ruft dich nicht an. Es sei denn, es ist etwas Schlimmes passiert.

Rebecca führte ein leises Gespräch mit dem noch immer lächelnden Mann hinter dem Resopaltresen, kritzelte etwas auf einen Zettel, den sie ihm dann reichte, vermutlich eine Telefonnummer, und wurde danach höflich zu einem kleinen Kasten an der Wand einige Meter weiter gewiesen, einem altmodischen Telefonapparat ohne Drehscheibe auf einem kleinen Regalfach aus Lochblech.

»Das ist Christian. Er hat angerufen!«

Der Rezeptionist hob den Daumen, als Zeichen dafür, dass er Norwegen an der Strippe hatte, und das Telefon vor Rebecca klingelte. Rebecca war bleich unter der leichten Sonnenröte der drei Tage. Doch ihre Hände waren ruhig, als sie zum Hörer griff und ihr deutliches »Hallo« über Tausende Kilometer Luft nach Hause zu dem Mann schickte, den sie so eindeutig betrog.

Der Ausdruck »das Herz schlägt im Hals« gewann für Synne in diesem Moment eine neue und konkrete Bedeutung. Es hämmerte wie besessen irgendwo unter ihrem Kehlkopf; sie schluckte und schluckte, aber irgend etwas drängte durch ihre Speiseröhre nach oben, das Herz selbst schien jeden Moment aus ihrem Mund fliegen und vor ihr landen zu können, auf dem Boden mit den grob behauenen Steinfliesen. Aus alter Gewohnheit überließ sie Rebecca sich selbst, man muss ungestört telefonieren können, das hatte sie schon als Kind gelernt, aber sie konnte sich fast nicht beherrschen, sie trat von einem Fuß auf den anderen und sah vermutlich so aus, als müsse sie dringend aufs Klo.

Das Gespräch dauerte nicht lange. Rebecca sagte fast nichts, und wenn sie etwas sagte, dann kehrte sie Synne den Rücken zu und sprach zu dem schwarzen Apparat, als sei der ihr eigentlicher Gesprächspartner. Nur ein leichtes Beben ihrer Schulter verriet, dass sie hier wirklich ein Gespräch führte.



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