Marx, my Love by CHRISTINE GRÄN

Marx, my Love by CHRISTINE GRÄN

Autor:CHRISTINE GRÄN
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2011-12-30T23:00:00+00:00


11. Kapitel

Jacob Lenz saß auf einem Stuhl, und seine Hände waren an den Lehnen festgebunden. Mit Kordeln, die an der Samtgardine fehlten. Der Gefangene zerrte an seinen Fesseln und versuchte, mit den zusammengebundenen Beinen nach dem Mann zu treten, der vor ihm stand.

Der Mann hielt ein brennendes Feuerzeug in der Hand. Sie sah ihn im Profil, doch er war so sehr auf sein Opfer konzentriert, dass er Anna zunächst nicht wahrnahm. Die Feuerzeug-Szene hatte sie in einem Film schon einmal gesehen. Es war ein schlechter Film.

Lenz sah Anna zuerst. In seinen Augen lag mehr Wut als Angst. »Was machen Sie denn hier?«, war ein Satz, den sie allerdings nicht erwartet hatte.

Der Mann mit dem Feuerzeug starrte ungläubig auf den Eindringling: »Wer zum Teufel ist sie?«

Benno Mackeroth war ein Schauspieler, der schon zu lange »am Anfang einer viel versprechenden Karriere« stand. Er pflegte das Image des »Jungen Wilden«, obwohl Anna ihn auf mindestens fünfunddreißig schätzte. Er mochte als attraktiv durchgehen, wenn man sich für Zweitagebärte begeisterte. Im Augenblick sah er eher dümmlich aus.

»Ich steh nicht im Drehbuch«, sagte Anna. »Die Türen standen offen, und eigentlich suche ich mein Handy. Ich hab es gestern hier liegen lassen.«

»Anna Marx. Schnüfflerin. Rosi hat sie mal engagiert.« Lenz rüttelte an den Lehnen, um sich zu befreien, und als er es zunehmend wütender versuchte, kippte er mit dem Stuhl nach hinten. Es war eines jener leichten Modelle, die mehr auf Schönheit als Stabilität angelegt waren. Anna hatte ihn einmal im Schaufenster gesehen und dann doch nicht gekauft, weil er ihr zu teuer war. Eine kluge Entscheidung, einmal.

Sein Schmerzensschrei hallte durch das Haus, und Anna sah zunächst nur seine Schuhsohlen. Er lag da wie ein Fisch auf dem Trockenen und zappelte, soweit es seine Fesseln zuließen. Mackeroth fluchte, weil er sich den Daumen verbrannt hatte. Er warf das Feuerzeug gegen ein Bücherregal. Junger Wilder. Als Folterknecht fand Anna ihn weniger begabt.

Sie stand über Jacob Lenz, der sie von unten anfunkelte. »Binden Sie mich gefälligst los, wenn Sie schon mal hier sind. Dieser Irre hat gedroht, mich anzukokeln.«

»Warum?«, fragte Anna, während sie kniend an dem Knoten nestelte. Er war fest zugezogen, so etwas lernt man bei den Pfadfindern oder in Sadomaso-Clubs. Mackeroth war ebenfalls auf den Knien und bemühte sich um die Fußfessel. »Es war ein Scherz«, murmelte er und fragte fast teilnahmsvoll, ob Jacob sich verletzt habe.

Lenz, liegend: »Ich hab eine Beule am Hinterkopf. Von deinem Schlag… du hättest mich damit umbringen können, du Schwein… nun macht schon, diese Lage ist lächerlich und unbequem.«

»Mich würde interessieren, um welchen Film es geht«, sagte Anna, bevor sie den letzten Knoten löste.

»Welcher Film?«, fragten Lenz und Mackeroth gleichzeitig.

»Na, von dem Rede war, als ich die Treppe hochkam. Ich konnte ja nicht umhin, mitzuhören. So, Sie sind frei.«

Lenz massierte seine Knöchel, als er neben dem Stuhl auf dem Boden saß. Dann tastete er nach der Beule am Hinterkopf und sah Anna giftig an. »Geht Sie überhaupt nichts an. Aber bitte: Es war eine Probeaufnahme, in der Benno erbärmlich schlecht agierte. Er wollte die Kassette haben.



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