Maigret_23 by Simenon

Maigret_23 by Simenon

Autor:Simenon
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-04T05:00:00+00:00


6

Maigret entdeckt Picpus

D

ie Experten im Labor hatten sich vergeblich bemüht, das Rätsel um Picpus zu lösen. Millionen von Menschen suchten diesen Namen in den fettgedruckten Schlagzeilen, wenn sie ihre Zeitung aufschlugen. Man witzelte über Picpus:

»Hast du Picpus nicht gesehen?«

»Und Picpus? Wie geht’s Picpus?«

Und die Taxifahrer hatten einen neuen Ausdruck, mit dem sie die Kollegen traktieren konnten, die ihren Ärger erregten: »Mach schon, he, Picpus!«

Doch zur Entdeckung von Picpus führte eine Fliege, eine ganz gewöhnliche Stubenfliege. Maigret war an jenem Morgen später als gewöhnlich aufgestanden, weil er bis zwei Uhr nachts bei der Comtesse geblieben war. Die Luft bewahrte noch eine angenehme Frische, während die Sonne bereits die Häuser vergoldete und die heißen Stunden des Tages ankündigte.

Maigret, der es liebte, durch Paris zu schlendern, wenn es sich für den Tag zurechtmachte, hatte sich nicht auf direktem Weg vom Boulevard Richard-Lenoir zum Quai des Orfèvres begeben, sondern hatte mit den ziellosen Schritten dessen, den keine Geschäfte mehr zur Eile treiben, einen Umweg über die Place de la République gemacht.

Am Vorabend in den Salons in der Rue des Pyramides hatte er eine sehr unglückliche Figur gemacht. Kaum war er eingetreten, hatte sich die in wallende Gewänder gehüllte Comtesse schon auf ihn gestürzt.

»Scht. Folgen Sie mir, lieber Kommissar. Sie können sich nicht vorstellen, wie ich mich freue, einen so berühmten Mann bei mir zu sehen.«

Sie zog ihn in ein Boudoir. Sie redete und redete. Sie flehte Maigret an, er möge jeden Skandal in ihren Salons vermeiden. Es kämen nur Leute aus bester Familie und in bedeutender Stellung zu ihr.

»Eben sagte ich noch zum Fürsten …«

Ihre Hand mit den dicken, falschen Ringen lag ständig auf Maigrets Knie, während er die aufgeregte Frau mit seinen blaugrünen Augen musterte.

»Und Sie wollen wirklich einen Abend bei uns bleiben? … Nein, ich kenne keinen Monsieur Blaise. Ihre Beschreibung paßt zu keinem unserer Freunde. Wir sind hier nämlich unter Freunden. Wenn sich jeder an den Kosten beteiligt, so liegt das an den schwierigen Zeiten.«

Fünf Minuten darauf stellte sie Maigret ungeachtet der Tatsache, daß die Zeitungen sein Bild mit schöner Regelmäßigkeit brachten, als Oberst im Ruhestand vor und nahm ihn mit an ihren Tisch, den der Anfänger, um ihn mit der Kunst des Bridgespiels vertraut zu machen. Trotzdem fand sie die Zeit, alle ins Bild zu setzen, an allen Tischen ein paar geflüsterte Worte anzubringen.

»Das ist der berühmte Kommissar Maigret! Schauen Sie nicht hin. Er ist inkognito gekommen, weil er meinen Rat braucht.«

Auf der Straße betrachtete Maigret jetzt die Passanten und sagte sich, daß Paris von Tausenden und Abertausenden solcher Zeitgenossen bevölkert ist, geheimnisvollen oder geheimnistuerischen Existenzen, auf die man nur selten, nur im Zuge irgendwelcher dramatischer Verknüpfungen, stößt.

Er kam zum Café des Sports an der Place de la République. Er trat ein, schwankte zwischen der Bar und einem der Tische, verfiel dann auf den Gedanken, sich an Joseph Mascouvins Stammplatz zu setzen. Mechanisch spulten seine Gedanken ab. Picpus! Warum Picpus, der Name einer belebten Straße, eines Viertels in der Gegend vom Père-Lachaise?

»Ober! Ein Bier!«

»Sofort, Herr Kommissar. Ich zapfe gerade ein neues Faß an.



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