Maigret und Monsieur Charles by Georges Simenon

Maigret und Monsieur Charles by Georges Simenon

Autor:Georges Simenon [Simenon, Georges]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-03-20T23:00:00+00:00


5

Maigret machte an der Pförtnerloge halt.

»Sagen Sie, der Notar hatte doch einen Hund, als er heiratete, oder?«

»Einen herrlichen deutschen Schäferhund. Er liebte ihn sehr, und das Tier lohnte es ihm.«

»Ist er tot?«

»Nein. Ein paar Tage nach ihrer Rückkehr aus Cannes, wo sie ihre Flitterwochen verbrachten, haben sie ihn verschenkt...«

»Kam Ihnen das nicht komisch vor?«

»Anscheinend zeigte der Hund jedesmal die Zähne, wenn Madame Sabin-Levesque ihm nahekam. Einmal hat er sie sogar fast gebissen und ihr den Rocksaum zerfetzt. Sie hatte schreckliche Angst vor ihm. Sie hat ihren Mann gezwungen, sich von ihm zu trennen ...«

In seinem Büro eingetroffen, ließ der Kommissar den Fotografen vom Erkennungsdienst herunterkommen. Er reichte ihm zuerst das Foto des Ehepaars in Cannes mit dem Hund.

»Können Sie diesen Abzug vergrößern?«

»Das Ergebnis wird nicht gerade großartig sein, aber die Personen würde man erkennen...«

»Und das hier?« Es war das Passfoto.

»Ich werde mein Bestes tun. Wann wollen Sie die Bilder haben?«

»Morgen früh...«

Der Fotograf seufzte. Bei dem Kommissar war es immer eilig. Daran war er nachgerade gewöhnt.

Madame Maigret warf ihm den kurzen, ängstlichen Blick zu, den sie immer hatte, wenn ihr Mann eine schwierige Ermittlung führte. Sie wunderte sich nicht über sein Schweigen und über seine griesgrämige Miene. Man hätte meinen können, er wüsste rein gar nichts mit sich anzufangen, wenn er einmal zu Hause war.

Er aß zerstreut, und seine Frau fragte ihn lächelnd:

»Bist du überhaupt da?«

Denn im Geist war er woanders. Ihr fiel ein Gespräch zwischen ihm und Doktor Pardon ein, als sie einmal bei diesem zum Abendessen waren.

»Eins ist für mich kaum zu begreifen«, sagte Pardon. »Sie sind genau das Gegenteil eines Justizbeamten. Wenn Sie einen Schuldigen verhaften, könnte man geradezu meinen, Sie tun es nur schweren Herzens.«

»Das kommt vor, ja.«

»Und Ihre Ermittlungen gehen Ihnen so nahe, als seien Sie persönlich betroffen...«

Und Maigret hatte ganz schlicht geantwortet:

»Weil es jedesmal eine menschliche Erfahrung ist, die ich dabei mache. Wenn man Sie ans Krankenbett eines Unbekannten ruft, machen Sie dann nicht auch eine persönliche Angelegenheit daraus? Kämpfen Sie nicht gegen den Tod, als ob Ihnen der Patient lieb und teuer wäre?«

Er war müde und schlecht gelaunt. Der Anblick der Leiche im Hafen von Grenelle konnte ja selbst einen Gerichtsarzt erschüttern.

Maigret mochte Sabin-Levesque, obwohl er ihn gar nicht gekannt hatte. Im Lyzeum hatte er einmal einen Schulkameraden gehabt, der ihm dem Wesen nach ein wenig ähnelte. Ein lockerer, scheinbar unbekümmerter Typ. Im Unterricht war er der widerborstigste Schüler, unterbrach den Lehrer oder kritzelte auf dem Heftrand herum.

Wenn er für eine Stunde vor die Tür gesetzt wurde, drückte er das Gesicht ans Fenster und schnitt Grimassen..

Doch die Lehrer waren ihm deshalb nicht böse und lachten schließlich selbst über ihn. Bei den Prüfungen war er allerdings immer unter den drei Besten.

Der Notar, der früher das Leben eines Playboys führte, hatte ganz plötzlich geheiratet. Warum? War es Liebe auf den ersten Blick gewesen? Hatte Nathalie, die sich Trika nannte, das Ganze mit erstaunlichem Geschick eingefädelt?

Was hatte sie sich davon erhofft? Ein mondänes Leben in einer luxuriösen Wohnung, Reisen, Aufenthalte an schicken Urlaubsorten?

Nach etwa drei Monaten gemeinsamen Lebens war der Augenblick gekommen, da Sabin-Levesque wieder auszugehen begann.



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