Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht by Simenon Georges

Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht by Simenon Georges

Autor:Simenon, Georges [Georges, Simenon]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-02-20T00:00:00+00:00


5

Gegen halb zwölf war Maigret am Boulevard de Charonne für einen Augenblick aus dem Taxi gestiegen. Das ausdruckslose Gesicht von Jussieu wirkte übermüdet, als er stumm aus dem Schatten auftauchte und nach oben auf ein erleuchtetes Fenster im dritten Stock deutete. In diesem Viertel brannte fast nirgends mehr Licht, weil die Leute hier alle schon früh am Morgen zur Arbeit aufbrachen.

Es regnete zwar immer noch, aber nicht mehr so heftig, und man konnte allmählich zwischen den Wolken einen silbernen Schimmer erblicken.

»Dieses Fenster gehört zum Esszimmer«, hatte der Inspektor erklärt. Er roch nach kaltem Zigarettenrauch. »Im Schlafzimmer ist das Licht vor einer halben Stunde ausgegangen.«

Maigret wartete ein paar Minuten und hoffte, dass sich hinter dem Vorhang etwas bewegen würde. Da sich nichts rührte, fuhr er nach Hause zurück, um ins Bett zu gehen.

Anhand der Berichte und Telefonanrufe würde er am nächsten Morgen alles rekonstruieren und sämtliche Aktivitäten Meurants minutiös nachvollziehen können.

Morgens um sechs, als die Concierge die Mülleimer wieder ins Haus trug, lösten zwei andere Inspektoren die Kollegen ab, ohne jedoch ins Haus hineinzugehen, denn bei Tag konnte sich unmöglich einer von ihnen im Treppenhaus aufhalten.

Der Bericht von Vacher, der dort die Nacht auf einer Stufe oder an die Tür gelehnt verbracht hatte, sobald sich in der Wohnung etwas bewegte, war ein wenig irreführend.

Zu recht früher Stunde, nachdem das Ehepaar ziemlich schweigsam gegessen hatte, war Ginette Meurant ins Schlafzimmer hinübergegangen, um sich auszuziehen; Jussieu, der ihren Schatten von der Straße aus gesehen hatte, als sie ihr Kleid über den Kopf zog, konnte das bestätigen.

Ihr Mann ist ihr nicht ins Schlafzimmer gefolgt. Sie war noch einmal zurückgekommen, um ihm ein paar Worte zu sagen, und hatte sich dann offenbar hingelegt, während er in einem Sessel im Esszimmer sitzen blieb.

Dann ist er mehrmals aufgestanden, im Zimmer auf und ab gegangen, stehen geblieben, dann wieder umhergelaufen und hat sich erneut in den Sessel fallen lassen.

Gegen Mitternacht ist seine Frau noch einmal zurückgekommen, um ihm etwas zu sagen. Vom Treppenhaus aus konnte Vacher nicht verstehen, was gesprochen wurde, doch er erkannte die beiden Stimmen. Es klang nicht nach einem Streit. Die Frau hielt eine Art Monolog, der hin und wieder von einem kurzen Satz oder einem einzelnen Wort ihres Mannes unterbrochen wurde.

Sie hat sich wieder hingelegt, anscheinend immer noch allein. Das Licht im Esszimmer ist nicht ausgegangen, und gegen halb drei ist Ginette zum dritten Mal erschienen.

Meurant schlief nicht, denn er hatte sofort eine knappe Antwort gegeben. Vacher hat vermutet, dass sie geweint hat. Denn er hatte ein monotones Gejammer gehört, das von einem charakteristischen Schniefen unterbrochen wurde.

Ohne sich wütend zu zeigen, schickte Meurant seine Frau ins Bett zurück, und dann musste er wohl in seinem Sessel eingeschlafen sein.

Etwas später wachte ein Baby eine Etage höher auf; gedämpfte Schritte waren zu hören, gegen fünf begannen die Mieter aufzustehen, überall gingen Lichter an, und Kaffeeduft strömte ins Treppenhaus. Um halb sechs brach der erste Mann bereits zur Arbeit auf und betrachtete neugierig den Inspektor, der keine Möglichkeit hatte, sich zu verstecken, dann warf er einen Blick zur Tür und schien zu verstehen.



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