Maigret 42 by Simenon

Maigret 42 by Simenon

Autor:Simenon
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-05T05:00:00+00:00


Die Bridgepartie

Als sie um Viertel nach acht das Haus in der Rue Clemenceau verließen, wichen sie fast zurück, so überrascht waren sie von der Stille, die sie plötzlich umgab.

Gegen fünf Uhr nachmittags war der Himmel plötzlich schwarz geworden wie am Karfreitag, und in der ganzen Stadt hatte man die Lampen anzünden müssen. Zweimal hatte es kurz und heftig gedonnert, und dann hatten sich endlich die Wolken entladen. Es regnete nicht, es hagelte; die Menschen waren verschwunden, wie vom Sturm weggefegt, während auf dem Gehsteig die weißen Hagelkörner wie Pingpongbälle auf- und abhüpften. Maigret, der sich um diese Zeit im Café de la Poste befand, hatte sich mit den anderen erhoben und war ans Fenster getreten, um das Schauspiel auf der Straße zu verfolgen, wie man einem Feuerwerk zusieht.

Jetzt war es vorüber, und es verwirrte einen fast, weder Wind noch Regen zu spüren, durch eine Luft zu gehen, in der sich kein Hauch regte, und, wenn man den Kopf hob, zwischen den Dächern die Sterne blinken zu sehen.

Vielleicht wegen der Stille, die nur vom Geräusch ihrer Schritte unterbrochen wurde, gingen sie stumm dahin, die Straße gegen die Place Viète hinauf. Genau an der Ecke des Platzes streiften sie einen Mann, der reglos im Dunkeln stand, eine weiße Binde am Arm und einen Knüppel in der Hand. Er folgte ihnen wortlos mit den Blicken.

Einige Schritte weiter öffnete Maigret den Mund zu einer Frage, und sein Freund, der sie erraten hatte, erklärte mit belegter Stimme:

»Der Kommissar hat mich kurz vorm Weggehen im Büro angerufen. Es lag schon seit gestern in der Luft. Heute morgen haben Burschen Einladungen in die Briefkästen geworfen; um sechs Uhr hat eine Versammlung stattgefunden, und sie haben ein Wachkomitee gebildet.«

Das »sie« bezog sich offensichtlich nicht auf die Jungen, sondern auf feindliche Elemente der Stadt.

Chabot fügte hinzu:

»Wir können sie nicht daran hindern.«

Gerade vor dem Haus der Vernoux’ in der Rue Rabelais standen drei weitere Männer mit Armbinden auf dem Gehsteig und sahen sie näherkommen. Sie patroullierten nicht, sondern standen da, um Wache zu halten, und man hätte glauben können, daß sie darauf warteten, sie am Betreten des Hauses zu hindern. In dem kleinsten der Männer glaubte Maigret die magere Gestalt des Lehrers Chalus zu erkennen.

Es war ziemlich eindrucksvoll. Chabot zögerte, seinen Fuß auf die Schwelle zu setzen. Wahrscheinlich wäre er lieber weitergegangen. Es sah noch nicht nach einem Aufstand, nicht einmal nach Unruhen aus, aber es war das erste Mal, daß sie einem so deutlichen Zeichen der allgemeinen Unzufriedenheit begegneten. Äußerlich ruhig, würdevoll und nicht ohne eine gewisse Feierlichkeit stieg der Untersuchungsrichter schließlich die Treppe hinauf und hob den Türklopfer. Hinter ihm war kein Murmeln, kein spöttisches Lachen zu hören. Die drei Männer sahen ihm nach wie vor regungslos zu. Der Lärm des Türklopfers hallte im Inneren wider wie in einer Kirche. Sofort, als hätte er hinter der Tür auf sie gewartet, hantierte der Diener mit Ketten und Riegeln und bat sie mit schweigsamer Ehrerbietung ins Haus.

Sonst wurde man wohl nicht auf diese Art empfangen, denn Julien Chabot blieb einen Augenblick auf der Schwelle stehen, als bedaure er, gekommen zu sein.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.