Maigret - 29 - Maigret und sein Toter by Simenon Georges

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter by Simenon Georges

Autor:Simenon, Georges [Georges, Simenon]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-03-07T00:00:00+00:00


6

Zwei Polizeibusse waren in der Rue de Rivoli, Ecke Rue Vieille-du-Temple, stehen geblieben, und im Schein der Straßenlaternen sah man kurz die silbernen Knöpfe an den Uniformen der Polizisten. Die Männer waren sofort an die Arbeit gegangen und hatten einige Straßen abzuriegeln begonnen, in denen Inspektoren der Kriminalpolizei bereits bei der Arbeit waren.

Hinter den Polizeibussen reihten sich die Gefangenenwagen auf. Genau an der Ecke der Rue du Roi-de-Sicile stand ein Polizeioffizier und blickte unverwandt auf seine Uhr.

In der Rue Saint-Antoine drehten sich Passanten beunruhigt um und beschleunigten den Schritt. In dem abgesperrten Viertel sah man noch einige erleuchtete Fenster. Aus den Türen der Hotels fiel ein schwacher Lichtschein, und die große Laterne vor dem Bordell in der Rue des Rosiers brannte noch.

Der Polizeioffizier, der immer noch auf seine Uhr starrte, zählte die letzten Sekunden, während Maigret, gleichgültig oder ein wenig verlegen, die Hände in den Manteltaschen vergraben, neben ihm stand und ins Leere blickte.

Vierzig … fünfzig … sechzig … Zwei schrille Pfiffe ertönten, auf die sofort andere Pfiffe antworteten. Polizisten in Uniform durchkämmten die Straßen, während die Inspektoren in die verrufenen Hotels hineingingen.

Wie immer in solchen Fällen gingen überall die Fenster auf. Im Dunkeln sah man helle Gestalten, die sich beunruhigt oder empört hinausbeugten. Schon hörte man Stimmen. Schon schob ein Polizist ein Mädchen vor sich her, das er in einem dunklen Winkel aufgegriffen hatte und das ihm unflätige Schimpfworte an den Kopf warf.

Man hörte auch hastige Schritte von Männern, die zu flüchten versuchten und sich in das Dunkel der Gassen stürzten. Vergeblich, weil sie dort nur auf andere Polizeiabsperrungen stießen.

»Papiere!«

Taschenlampen leuchteten auf, erhellten verdächtige Gesichter, schmierige Pässe und Personalausweise. An den Fenstern lehnten Leute, die das alles gewohnt waren. Sie wussten, sie würden so bald nicht wieder einschlafen können, und sahen der Razzia wie einem Schauspiel zu.

Die fetteste Beute war bereits in Polizeigewahrsam. Es waren diejenigen, die nicht erst die Razzia abgewartet hatten. Als am späten Nachmittag in dem Viertel ein Mann erschossen worden war, hatten sie Lunte gerochen. Und mit Einbruch der Nacht waren überall dunkle Gestalten an den Mauern entlanggeschlichen, Männer, die alte Koffer oder seltsame Bündel mit sich schleppten und Maigrets Inspektoren in die Arme gelaufen waren.

Es war einfach alles darunter: Männer mit Aufenthaltsverbot, Zuhälter, Leute mit gefälschten Personalausweisen, Polen, Italiener, die etwas auf dem Kerbholz hatten oder deren Papiere nicht in Ordnung waren.

Alle versuchten, sich unbekümmert zu geben. Und allen wurde die gleiche brutale Frage gestellt:

»Wo willst du hin?«

»Ich ziehe um.«

»Warum?«

Ängstliche oder wilde Blicke im Dunkeln.

»Ich habe Arbeit gefunden.«

»Wo?«

Manche redeten von einer Schwester, die sie besuchen wollten und die im Norden oder in der Nähe von Toulouse wohnte.

»Steig schon ein!«

Der Gefängniswagen. Eine Nacht auf der Polizeipräfektur, um ihre Identität zu überprüfen. Es waren größtenteils arme Teufel, aber nur wenige von ihnen hatten ein reines Gewissen.

»Nicht ein einziger Tscheche bis jetzt, Chef!«, hatte man Maigret gemeldet.

Jetzt blieb der Kommissar im Dunkeln, rauchte missmutig seine Pfeife, sah, wie sich schattenhafte Gestalten bewegten, hörte Schreie, hastige Schritte und bisweilen das dumpfe Geräusch einer Faust, die in ein Gesicht schlug.



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