Magier der Nacht by Marion Zimmer-Bradley

Magier der Nacht by Marion Zimmer-Bradley

Autor:Marion Zimmer-Bradley [Zimmer-Bradley, Marion]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


SAN FRANCISCO, JANUAR 1973

Wahrheiten kann er manche sagen: Die Ernte eines stillen Blicks,

Der auf sanftem Herzen ruht und träumt.

WILLIAM WORDSWORTH

Der heisere Atem des narkotisierten Mannes im Bett war das einzige Geräusch im Zimmer. Colin saß auf dem unbequemen Stuhl daneben und betrachtete Simon im Schlaf.

Sein Gesicht war von Bandagen umwickelt, beide Aigen bedeckt. Unmittelbar nach dem Unfall waren die Ärzte davon ausgegangen, dass er das Augenlicht verlieren würde. Jetzt glaubten sie, wenigstens das rechte Auge retten zu können, doch Simon Anstey würde nie mehr wie ein Dressman aussehen.

Entstellt zu sein war schlimm, und Blindheit wäre noch schlimmer gewesen, doch dies waren richt die schrecklichsten Verletzungen, die Simon bei dem Unfall erlitten hatte.

Unwillkürlich ging Colins Blick zu Simons linker Hand. Sie war ebenfalls bandagiert und geschient, um jede Bewegung zu verhindern. Die Ärzte hatten sie amputieren wollen, doch Simon hatte seine Zustimmung verweigert. Er war hysterisch geworden - Colin konnte sich die Szene ausmalen -, er wollte keine Schmerzmittel,

wollte nicht, dass die Ärzte ihn berührten, bis sie ihm versprachen, seine Hand zu verschonen. Wenn er nicht seit so vielen Jahren eine gewisse Größe in der Bay Area gewesen wäre, hätten sie vielleicht nicht auf ihn gehört, doch jeder in der Notaufnahme kannte Simon Anstey, der als Solist mit dem San Francisco Symphony Orchestra auftrat und am Konservatorium lehrte.

Er hatte sie von sich ferngehalten, bis Alison eintraf, und erst als sie ihm versichert hatte, ihm beizustehen, erlaubte er den Ärzten, mit der Arbeit zu beginnen. Und Alison hatte ihr Versprechen gehalten, hatte sich gegen die Ärzte gestellt, bis sie es aufgaben und eine Amputation nicht mehr in Betracht zogen.

Sie hatten Wunder gewirkt. Doch obwohl die Hand als ganze erhalten war, glaubte niemand, dass er sie je wieder benutzen könnte. Die Knochen zweier Finger waren zersplittert, die feinen Nerven zerstört. Vielleicht würde er eines Tages wieder mit seiner Linken eine Tasse zum Mund führen können, doch es war undenkbar, dass er noch einmal die Fingerfertigkeit erlangte, die ein Konzertpianist brauchte. Seine Karriere - sein Leben - war vorbei.

Er war neunundzwanzig.

Das ist meine Schuld. Obwohl es anmaßend klang, konnte Colin diese Überzeugung nicht abschütteln. irgendwie dachte er, wenn er nur stärker gewesen wäre und der Versuchung widerstanden hätte, ohne Billigung zu handeln ...

Wenn es so ist, dann gehört es zu deiner Strafe, sagte sich Colin unbarmherzig.

Die Tür zum Krankenzimmer ging auf.

»Wie geht es ihm?«, flüsterte Alison.

»Er schläft noch«, antwortete Colin leise. Alison kam

auf Zehenspitzen herein und setzte sich auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Bettes. Sie sah abgehärmt und erschöpft aus, selbst das milde Januarlicht konnte ihre vierundsiebzig Jahre nicht verbergen.

»Wenn ich nur bei ihm gewesen wäre«, sagte sie.

»Dann wärest du genauso tot wie das Mädchen, das neben ihm saß«, stellte Colin fest.

»Zur Hölle mit allen betrunkenen Autofahrern«, sagte Alison in stillem Hass. Der Fahrer, der Simons Beifahrerin und sein Künstlerleben auf dem Gewissen hatte, war ohne Kratzer bei dem Zusammenstoß davongekommen -wie die meisten betrunkenen Autofahrer. Zumindest bestand kein Zweifel an seiner Schuld - Simon hatte vor einer roten Ampel gehalten -, aber kein Gerichtsurteil konnte wieder gutmachen, was er zerstört hatte.



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