Luna 1: Luna by Ian McDonald

Luna 1: Luna by Ian McDonald

Autor:Ian McDonald [McDonald, Ian]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Science Fiction
ISBN: 9783641192952
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2016-12-11T23:00:00+00:00


6

Achi lernte ich kennen, weil mir von Sex im freien Fall schlecht wurde. Bei der Ausbildung redeten die Leute von nichts anderem. Sex im freien Fall. Alle machen es, alle wollen es. Dabei verdirbt es einem für immer den Spaß an der Sache. Nach dem Sex im freien Fall ist Sex mit Gewicht plump und hässlich. Die Woronzows in ihren Raumschiffen sind Sex-Ninjas.

Sobald wir durch die Schleuse kamen, taxierten sie uns. Die Woronzows, meine ich. Da war ein Typ: Er sah her, und ich erwiderte seinen Blick und nickte, ja, ich will, noch während der Tether dem Cycler die Transportgondel entriss und damit unsere letzte Verbindung zur Erde durchtrennte. Ich bin nicht prüde. Bei den Strandfesten an Neujahr in Barra habe ich meine Erfahrungen gesammelt. Zu einer Party oder einer Chance auf lebensverändernden Sex hätte ich bestimmt nicht Nein gesagt. Ich hatte Lust darauf, es mit diesem Typen auszuprobieren. Wir ließen uns hinauf zur Decke treiben. Überall schwebten gegeneinanderstoßende Leiber. Die Männer mussten Kondome benutzen. Niemand wollte im Fliegen von diesem Zeug getroffen werden. Ich sagte: Sei nett, und dann produzierte ich was viel Schlimmeres als fliegendes Sperma. Ich kotzte ihn voll. Konnte nicht aufhören damit. So was ist nicht sexy. Die Schwerelosigkeit stülpte alles in mir um und um. Er blieb ganz höflich und machte alles mit dem Staubsauger sauber, während ich mich in den Gravitationsbereich zurückzog.

Die einzige andere Person im Zentrifugenraum war ein karamelläugiges Mädchen mit schlanken Händen und Fingern. Alle paar Sekunden huschte etwas Mürrisches über ihr Gesicht. Ihr Blick schien nach innen gerichtet; sie wirkte scheu und wollte mir kaum in die Augen schauen. Sie hieß Achi Debasso. Der Name sagte mir nichts. Ich hatte noch nie etwas in dieser Art gehört. Jedenfalls war es – wie meiner – ein Name, den die Gezeiten der Geschichte zum Mond gespült hatten. Sie war Syrerin. Syrische Christin, was einen Riesenunterschied machte. Ihre Familie war vor dem Bürgerkrieg geflohen. Nicht sie selbst. Sie verließ Damaskus als eine Ansammlung von Zellen im Bauch ihrer Mutter. In London geboren, in London aufgewachsen, ausgebildet am Massachusetts Institute of Technology. Aber ihre Herkunft als syrische Christin durfte sie nie vergessen. Achi wurde im Exil geboren. Und jetzt steuerte sie auf ein noch größeres Exil zu.

Oben unter der Decke fickten unsere zukünftigen Kollegen. Unten im Zentrifugenbereich unterhielten wir uns, und am Fenster zu unseren Füßen zogen Mond und Sterne vorbei. Und bei jedem unserer Treffen war der wirbelnde Mond ein Stück größer, und wir kannten uns ein wenig besser. Am Ende der Woche füllte der Mond das ganze Fenster aus, und wir hatten Freundschaft geschlossen.

Achi wurde von Gespenstern beherrscht. Vom Gespenst der Wurzellosigkeit. Vom Gespenst der Herkunft aus einem toten Land. Vom Gespenst der Privilegiertheit. Ihr Daddy war Softwareentwickler, ihre Mummy kam aus einer vermögenden Familie. Solche Flüchtlinge nahm London mit offenen Armen auf. Vom Gespenst der Schuld, dass sie am Leben war, während Tausende andere gestorben waren. Ihr dunkelstes Gespenst war das Streben nach Sühne. An ihrer Abstammung konnte sie nichts ändern, doch sie konnte sich nützlich machen und dadurch Buße tun.



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