Lotusblut: Thriller (German Edition) by Judith Winter

Autor:Judith Winter [Winter, Judith]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783423424059
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2015-01-24T16:00:00+00:00

14

Polizeipräsidium Frankfurt, Büro Makarov, 20.35 Uhr

»Lassen Sie mich das zur Sicherheit noch einmal zusammenfassen.« Makarovs Gesicht war weiß vor Wut. »Sie ermitteln im Fall eines Doppelmordes, aber anstelle eines Motivs oder wenigstens eines Verdächtigen bescheren Sie mir ein verschwundenes Kind, einen halb toten Chinesen, einen wutschnaubenden Anwalt und eine Horde aufgebrachter BKA-Leute, die damit drohen, mir die Innenrevision, den Polizeipräsidenten, den Bürgermeister und Was-weiß-ich-wen-sonst-noch-alles auf den Hals zu hetzen, falls ich Sie nicht umgehend bändige. Und das Einzige, was Sie dazu zu sagen haben, ist, dass Sie irgendwie so ein komisches Gefühl hatten?«

»Ich bin …«, setzte Em an, doch ihr Boss unterbrach sie gleich wieder.

»Ich will nichts hören. Haben Sie den Bericht für Ensslin fertig?«

»Nein, ich …«

»Wieso nicht?«

»Weil der Bericht an Ensslin erst morgen Mittag fällig ist und ich …«

»Heute Abend, Capelli!« Sein Zeigefinger hieb auf die Tischplatte ein, dass man fürchten musste, er würde jeden Augenblick durch das Holz stoßen. »Und es ist mir scheißegal, ob Sie Feierabend haben oder müde sind oder eigentlich viel lieber ins Kino wollten. Sie gehen hier erst raus, wenn der Bericht geschrieben und verschickt ist. Und zwar an Ensslin und an mich. Haben wir uns verstanden?«

»Aber Thien Liming …«

Sein Zeigefinger schnellte vor wie der Kopf einer Schlange. »Können Sie Thien Liming in irgendeinen Zusammenhang mit dem Doppelmord im Plaza bringen?«

»Nein, aber …«

»Können Sie beweisen, dass er Kaylins Lehrer war oder zu ihr Kontakt hatte?«

»Bislang nicht. Aber …«

»Haben Sie irgendeinen Hinweis darauf, dass das Mädchen in Thien Limings Wohnung war?«

»Ja.«

»Welchen?«

Em tauschte einen Blick mit ihrer Partnerin. »In der Spüle stand benutztes Geschirr von zwei Personen.«

Makarov lachte höhnisch auf. »Dann hatte Herr Liming eben Gäste. Oder er spült nur, wenn es sich mengenmäßig auch lohnt.« Er angelte sich einen Stift aus dem Köcher auf seinem Schreibtisch und setzte einen wütenden Haken unter irgendein Dokument. »Das machen viele Leute so. Ich zum Beispiel.«

Em versuchte vergeblich, sich ihren Boss mit aufgekrempelten Ärmeln in einer Küche vorzustellen. »Aber der Überfall ist doch ein klarer Hinweis darauf, dass …«

»Der Einbruch mit Körperverletzung«, korrigierte Makarov umgehend. »Und als solcher fällt er nicht in unsere Zuständigkeit.«

Em sprang von ihrem Stuhl auf. »Machen Sie Witze?«

Der Blick, den er ihr zuwarf, war absolut vernichtend. »Glauben Sie mir, Capelli, ich bin nicht derjenige, der hier Witze reißt. Aber da Sie anscheinend so drauf stehen: Ich hätte da auch noch einen guten.« Seine Augen wieselten zwischen ihr und Zhou hin und her. »Und der geht so: Zwei junge Beamtinnen der Abteilung für Kapitaldelikte wollen einen alten Bekannten besuchen, der als Übersetzer arbeitet.«

Em hob protestierend die Hand. »Moment! Wir haben einen eindeutigen Hinweis bekommen, dass Herr Liming …«

»Ja«, fauchte Makarov. »Nur leider wird Ihre Zeugin, nach allem, was Sie mir erzählt haben, vermutlich nicht bereit sein, ihren sogenannten Hinweis in Gegenwart des Staatsanwalts zu wiederholen, oder sehe ich das falsch?«

»Nein«, räumte Em ein. »Vermutlich nicht.«

»Na also.«

»Wir müssen vorsichtig sein, wie wir in diesem Fall mit Zeugen wie …«, startete sie einen neuen Versuch, doch ihr Boss stürzte sich auf ihre Worte wie eine ausgehungerte Hyäne auf einen Kadaver.

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