Lost Girl by Johannes Groschupf

Lost Girl by Johannes Groschupf

Autor:Johannes Groschupf [Groschupf, Johannes]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783864180477
Herausgeber: Oetinger Taschenbuch
veröffentlicht: 2017-07-25T22:00:00+00:00


18.Kapitel

Mitten in der Nacht wurde ich wach. Irgendetwas stimmte nicht. Ich setzte mich auf und horchte, doch alles, was ich hörte, waren die tiefen Atemzüge von Alex neben mir. Vielleicht hatte ich auch nur fies geträumt. Ich merkte, wie müde ich noch war, und legte mich wieder hin.

Dann hörte ich ein leises Klappern aus der Küche. Dort war jemand. Jetzt war ich mit einem Schlag richtig wach. Ich lag mit offenen Augen in meinem Schlafsack, meine Ohren aber wuchsen über den Rand meiner Matratze hinaus und versuchten, die Geräusche aus der Küche aufzufangen. Eine Ratte? Ein Waschbär? Ein Einbrecher? Mir schlugen die Zähne aufeinander, keine Ahnung, ob vor Kälte oder vor Angst. Aber ich konnte nicht mehr einschlafen, sondern musste nachsehen.

Ich schlich barfuß durch das Kaminzimmer hinüber zum Esszimmer. Unhörbar. Ein Schatten, mehr nicht. Meine Augen hatten sich rasch an die Dunkelheit gewöhnt. Die Geräusche aus der Küche waren jetzt deutlicher, ein ruhiges Schlürfen und Schmatzen. Ich ging in die Hocke und lugte durch die Tür.

Es war kein Einbrecher. Kein Waschbär. Es war Hannah, die seelenruhig am Tisch saß und Müsli aß. Sie wirkte völlig abwesend. Im Halbdunkel der Küche konnte ich ihr Gesicht kaum erkennen, aber als sie nach einer Weile aufstand und an mir vorbeiging, war ich mir sicher, dass sie es war.

»Hannah?«, flüsterte ich. Ich brachte den Namen kaum über die Lippen.

Sie reagierte nicht, ging einfach weiter, als hätte sie mich nicht gehört. Vielleicht war sie irgendwie sauer auf mich. Ich war mir keiner Schuld bewusst, aber Mädchen … Wer wusste schon, was die dachten.

Sie schlurfte zum Schlafplatz der Mädchen zurück, und ich ging noch auf Toilette, ehe ich mich wieder hinlegte. Hannah saß aufrecht da und ignorierte mich, als ich ihr leise eine gute Nacht wünschte. Vielleicht schlafwandelte sie? Ich hatte noch nie eine Schlafwandlerin in Wirklichkeit gesehen, nur in Schwarz-Weiß-Filmen, die ich früher mal mit meinem Opa gesehen hatte. Da war die Frau in einem flatternden Nachthemd und mit vorgestreckten Armen über einen Dachfirst balanciert. Ich fand, sie sah aus wie ein Zombie, und musste meinem Opa den Unterschied zu Gespenstern und Geistern erklären. Er hatte gesagt, es gebe Schlafwandler wirklich, aber man dürfe sie auf keinen Fall aufwecken. Also ließ ich Hannah in Ruhe. Ich legte mich hin und glitt sofort ins Reich eines labyrinthischen Traums hinüber.

Schwarz-weiß, leicht körnig. Ich schaue hinaus auf den Waldrand, die Baumspitzen sind eigenartig nah und vertraut, es wird Abend.

Ich sitze auf dem First des Daches, vor mir rote Dachpfannen, teilweise mit Moos bewachsen, dahinter beginnt der undurchdringliche Wald. Unter mir im Haus rumort es, ich höre entfernte Kinderstimmen, Tellerklappern. Neben mir sitzt eine Krähe, sie ist riesig, starrt mich an. Neben ihr vier andere Krähen, die unruhig von einem Bein auf das andere trippeln, die Köpfe rucken. Sie schauen hinüber zu mir, dann nach unten. Auch auf der anderen Seite hocken acht, neun Krähen. Mein eigener Kopf ruckt, wenn ich sie anschaue, und wenn ich nach unten blicke, sehe ich meine Krähenfüße, die sich am Dachfirst festkrallen.

Als die



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