Letzter Mann im Turm by Aravind Adiga

Letzter Mann im Turm by Aravind Adiga

Autor:Aravind Adiga [Adiga, Aravind]
Die sprache: de
Format: mobi, epub
ISBN: 9783406621574
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2011-11-05T17:41:32+00:00


23. JULI

Der Aufzug der Vishram Society bewegte sich wie ein Sarg auf Rädern. Drückte man einen Knopf, folgte ein lautes Klacken, Seile, Hebel und Ketten setzten sich in Bewegung. Durch das Gitterwerk der Metallblende vom offenen Aufzugschacht konnte man ein dunkles Holzrechteck sehen, ein Gegengewicht, das die Wand hinunterglitt, während der große dunkle Aufzugkorb, auf dem oben ein Lichtkranz leuchtete, mit kratzendem Geräusch an einem vorbei ins Stockwerk darüber fuhr. An ihm hing ein Schild: HALTE DEINE GENOSSENSCHAFT SAUBER.

Masterji sah, wie der Aufzug an ihm vorbeifuhr, ehe die dunkle Masse rumpelnd im vierten Stock hielt. Ein Klicken ertönte, und die Tür ging auf, aber er hörte niemanden heraustreten.

Es war eine dieser Geisterfahrten, die der Otis manchmal auf eigene Faust unternahm, um sich mit diesen gespenstischen Energieschüben für Wochen der Reglosigkeit zu entschädigen.

Noch keine Kinder. Er ging in seine Wohnung zurück und ließ die Wohnungstür offen.

Es war 19 Uhr an einem Montag. Zeit für die erste naturwissenschaftliche Nachhilfestunde der Woche. Die Deckenlichter waren bereits ausgeschaltet und der Lampenschein auf die gegenüberliegende Wand gerichtet.

Zehn Minuten später rannte Masterji die Treppe hinunter und traf die Jungen draußen beim Kricketspiel an. Mohammad Kudwa warf, Anand Ganguly hielt ein Schlagholz hoch. Sunil Rego fungierte als Fänger.

«Masterji, stehen Sie nicht dort rum», rief Mohammad, «Sie könnten den Ball abkriegen!»

«Es ist Zeit für die Nachhilfestunde, Mohammad.»

Der Junge drehte sich um und grinste.

«Boykott, Masterji.»

Er warf den Ball in Anand Gangulys Richtung, der sich nach hinten lehnte und ihn mit einem harten Schlag hochdonnerte; er prallte von einem Fenstergitter im vierten Stock ab und flog nach unten.

«Boykott?», fragte Masterji und wich einen Schritt zurück, um dem aufprallenden Ball auszuweichen. «Ist das die neueste Ausrede, um nicht zur Nachhilfestunde zu kommen?»

Er marschierte zum Parlament, wo er auf Mrs Saldanha traf, die sich mit Mrs Kudwa unterhielt. Mrs Kudwa hatte Mariam auf dem Schoß und kitzelte sie.

«Ihr Sohn weigert sich, an der Nachhilfestunde teilzunehmen, Mrs Kudwa. Wussten Sie das?»

Die beiden Frauen standen umgehend von ihren Stühlen auf, gingen ins Gebäude und stellten sich vor das Schwarze Brett. Dort unterhielten sie sich weiter.

«Mit uns sprechen sie auch nicht», sagte Mr Pinto.

Masterji ging die Treppe zu 3 C hinauf. Mrs Puri öffnete die Tür mit der linken Hand, die Finger ihrer Rechten, mit der sie Ramu mit Quark und Reis gefüttert hatte, waren aneinandergepresst und beschmutzt. Ramu saß mit einer Schürze am Tisch; er strahlte seinen Masterji an.

«Sangeeta, was ist los?»

«Ramu», sie drehte sich zu ihrem Sohn um und sagte (mit einem gezwungenen, breiten Lächeln, damit er die Bedeutung ihrer Worte nicht erriet), «sag deinem Masterji, dass es einen Boykott gibt.»

«Boykott?», fragte Masterji. «Was soll das heißen?»

«Ramu», Mrs Puri lächelte wieder, «Masterji, der ein berühmter Lehrer ist, weiß bestimmt alles über Gandhi und Nehru und wie sie mit den Briten umgegangen sind.»

«Gandhi und Nehru und … Mrs Puri, das ist doch Wahnsinn.»

«Wahnsinn?» Mrs Puri gluckste. Ramu am Tisch stimmte mit ein.

«Und ein Angebot für seine Wohnung abzulehnen, das 250 Prozent des Marktwertes beträgt, ist kein Wahnsinn, Ramu? Manche Leute sollten das Wort Wahnsinn nicht in den Mund nehmen, Ramu.



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