Letzten Mittwoch habe ich die Zukunft befreit by Antje Herden

Letzten Mittwoch habe ich die Zukunft befreit by Antje Herden

Autor:Antje Herden [Herden, Antje]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kinderbuch
ISBN: 9783864292552
Herausgeber: Tulipan Verlag
veröffentlicht: 2014-11-15T23:00:00+00:00


Verloren im East End

Wir hatten uns im Labyrinth der kleinen Gassen des East End verloren. Hier war genauso viel los wie auf den größeren Straßen. Frauen hängten schmuddelige Wäsche auf, Korbflechter flochten Körbe, Messerschleifer schliffen Messer und Scheren, Pferde wurden mit Stroh gefüttert und Lumpensammler sortierten ihre Beute. Wann immer sich die Mauern einer engen Gasse zu einem etwas breiteren Hinterhof öffneten, war dieser belagert und belebt. Dazwischen rannten kleine Kinder und Lagerfeuer qualmten in allen Ecken. Drum herum saßen dunkle Gestalten.

»Vielleicht ist in den Häusern so wenig Platz, dass das Leben in den Hinterhöfen stattfindet«, überlegte die Prinzessin.

Die meisten Menschen hier sahen allerdings so aus, als hätten sie nicht einmal einen kleinen Platz in einem der Häuser.

»Ich glaube, die wohnen hier draußen«, sagte Sandro.

Natürlich wurden wir von allen beobachtet. Kinder wie wir hatten hier nichts zu suchen. Es wäre besser gewesen, wir hätten einige Lumpen angehabt statt der nigelnagelneuen sauberen Kleidung, die wir trugen. Selbst in meinem peinlichen Matrosenanzug kam ich mir vor wie ein König unter Bettlern.

Doch bevor ich oder einer der beiden anderen meine Gedanken laut aussprechen konnte, kam uns ein Junge entgegen. Er trug einen Anzug wie Sandro, mit Weste und Zylinder und sogar einen Spazierstock. Erst als er vor uns stand, sah ich, dass seine Kleidung völlig zerlumpt war. Selbst der Hut sah aus, als hätte er jahrelang einigen Elstern als Nest gedient. Der Junge war vielleicht vierzehn Jahre alt und schwenkte seinen Stock derart, dass ich sofort wusste, dass er ihn nicht zum Spazierengehen, sondern als Waffe benutzte.

»Jetzt wird es ernst«, murmelte die Prinzessin.

Ich machte mich innerlich bereit für einen Kampf.

»Sieh an, sieh an«, krächzte der Junge. Er blieb vor uns stehen und zündete sich übertrieben langsam eine Zigarette an. »Welch feine Herrschaften hier in unserm Reich.« Er blies uns Qualm entgegen.

»Rauchen ist ungesund«, schimpfte die Prinzessin.

»Das is ja nich möglich«, rief der Typ und schlug sich theatralisch gegen die Brust. Dann beugte er sich zur Prinzessin. »Hör mal zu, mein feines Fräuleinchen«, zischte er sie an. »Bei Regen und Kälte draußen wohn’ is ungesund. Nichts zum Futtern haben is ungesund. Schmutziges Themsewasser trinken is ungesund und mit den Schweinen im Stroh pennen is ungesund.«

Er nahm einen weiteren Zug und blies der Prinzessin den Rauch mitten ins Gesicht. Sie hustete und der Typ grinste böse.

»Und nun her mit den Klamotten!« Mit diesen Worten riss er Sandro den Hut vom Kopf, warf seinen eigenen über die Mauer und setzte sich den neuen Zylinder auf.

»Spinnst du!«, rief die Prinzessin und trat ein Stück zur Seite. Sie wusste, dass ich an ihr vorbeimusste, um den Typen aus dem Weg zu räumen.

Doch in dem Moment wurde ich von hinten gepackt. Plötzlich waren wir von einer Horde Kinder jeden Alters eingekreist. Sie hängten sich an unsere Arme und hielten unsere Beine fest.

»Ha!«, lachte der Typ. »Gerne halt’n wir euch dabei ein bisschen fest, aber ausziehn könnt ihr euch doch bestimmt alleine. Oder solln wir euch dabei auch helfen?«, fragte er drohend.

Wir schüttelten die Köpfe und begannen, unsere Kleider abzulegen. Die schnappten sich die kleinen Jungs und brachten sie dem Anführer.



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