Lesereise - Jakobsweg by René Freund

Lesereise - Jakobsweg by René Freund

Autor:René Freund [Freund, René]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 385452966X
Herausgeber: Picus Verlag
veröffentlicht: 2009-08-06T22:00:00+00:00


Saint-Palais, 21. Oktober

Hinter Navarrenx beginnt das französische Baskenland. Man hört ja nichts Gutes vom Baskenland, im Fernsehen und in den Zeitungen. Die französischen Basken sind freilich weniger radikal als die spanischen – sie würden von einer Unabhängigkeit auch nicht profitieren, da sie außer Schaf- und Schweinezucht keine nennenswerten Einnahmequellen in ihrem Land haben. Bei den spanischen Basken ist das anders – in Spanien ist der Norden (wie in fast allen europäischen Ländern) das Zentrum der Industrie. Im baskischen Konflikt geht es also wie immer nicht nur um Nationalstolz, sondern um Geld, und das wollen die spanischen Basken lieber mit ihren wenigen französischen Brüdern als mit der gesamten spanischen Nation teilen … Aber über derlei Dinge redet man hier lieber nicht allzu laut. In Spanien werde ich zum Glück nicht in Versuchung kommen, allzu viel über das Thema zu erfragen, weil ich weder Baskisch noch Spanisch kann. Von Radikalität merken wir jedenfalls weder hier noch da etwas – von ein paar beschmierten Wänden abgesehen. Auch ist das Baskenland groß, und die Zentren des Terrors liegen woanders. Wir müssen an die Geschichte eines peruanischen Musikers denken, den wir vor einigen Jahren bei einem Musikfestival in Graz kennenlernten. Der gute Mann hatte voller Erleichterung festgestellt, dass es in Österreich gar nicht so schlimm sei, wie man allgemein glaube. Wir fragten ihn, was denn so schlimm sein könne. »Die Mafia!«, flüsterte er uns zu. Er habe mit seiner Frau vor seiner Abreise die Weltkarte studiert, und seine Frau habe ihn fast nicht fahren lassen, weil Graz so nahe bei Sizilien liege – und von dort höre man ja die schlimmsten Geschichten.

Wir haben einen durchwegs angenehmen Eindruck vom Baskenland: Die Sonne scheint, die Menschen sind freundlich und grüßen alle. Die Ortsnamen stehen auch in Baskisch auf den Schildern, und die Geschäfte in der Stadt erkennt man gar nicht, weil der Name nur in Baskisch dasteht. Diese Sprache hat viele As und viele Zs und klingt gänzlich fremd.

Die Landschaft hat sich wenig verändert. In den Wäldern riecht es betörend nach Herbst, auf den Wiesen stehen Kühe, die heißen »Blondes d’Aquitaine« und sehen auch so nobel aus. Nur das Wasser fließt üppiger und ist sauberer. Die Berge schicken viele kleine Bächlein in die Ebene hinab, was uns einerseits erfreut, andererseits mit Sorge um Jean und Modestine erfüllt.

Saint-Palais, unser heutiges Ziel, liegt ein wenig abseits des Weges. Wir haben viel Gutes über das hiesige Franziskanerkloster gehört. Zu Recht. Das Matratzenlager ist zwar sehr einfach, der Empfang durch die Mönche (es sind nur noch drei!) aber außergewöhnlich herzlich. Zwei Drittel der Mönche sind ziemlich alt. Sie tragen die traditionelle braune Wollkutte mit Kapuze und gehen barfuß in Sandalen. Ihre Füße scheinen nur aus Hornhaut zu bestehen. Das schützt hoffentlich vor Kälte.

Wir essen mit ihnen sowie mit fünf Studenten der Bodenkultur, die ebenfalls im Kloster wohnen. Wie immer an den geistlichen Orten ist das Essen gut, das Tischgespräch heiter und der Schlaf friedlich.



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