Leo Berlin by Susanne Goga

Leo Berlin by Susanne Goga

Autor:Susanne Goga [Goga, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: eBookCreatorNet
veröffentlicht: 2010-01-01T21:00:01+00:00


12

Der Streit entbrannte am nächsten Morgen. Er rief Ilse von Marlens Wohnung aus an, doch sie hängte ein, als sie Leos Stimme hörte. Er wusch sich, zog sich an und fuhr nach Hause, um sich frische Sachen zu holen. Marlen sah ihm von der Wohnungstür aus nach und hauchte ihm eine Kusshand zu.

Der Weg von ihrer Wohnung in Wilmersdorf bis in die Emdener Straße war nicht allzu weit, und der Dienst begann spät. Also genoss er den strammen Morgenspaziergang. Die Nacht hatte ihm gut getan. Natürlich, Marie war noch immer krank, und die Fälle Sartorius und Klante waren nicht gelöst, doch Marlens Körper hatte ihn wenigstens für ein paar Stunden abgelenkt. Obwohl sie ganz anders war als Dorothea, hatte sie ihn doch daran erinnert, wie schön es sein konnte, neben einer Frau aufzuwachen.

Er überquerte Landwehrkanal und Spree, worauf die eleganten Bürgerhäuser den einfacheren Quartieren von Moabit wichen. Noch die Turmstraße, wo er sich bei einem Bäcker zwei frische Schrippen kaufte, dann war er schon zu Hause. Die Wohnung war leer. Georg war in der Schule, und Ilse machte vermutlich Besorgungen. Leo rasierte sich, zog frische Wäsche und einen anderen Anzug an, band sorgfältig die Krawatte und verließ das Haus. Ihm blieb noch Zeit, im Krankenhaus vorbeizugehen.

Als er auf den Balkon trat, sah er Ilse vor dem Fenster stehen. Sie hielt ihre Handtasche umklammert und hatte die Stirn an die Scheibe gelegt. Leise stellte er sich neben sie. »Wie geht es ihr?«

Ganz langsam drehte sie den Kopf und sah ihn an. Ihre Augen waren wie Stein.

»Marie?«, fragte er nur.

»Den Umständen entsprechend. Nicht besser, nicht schlechter als gestern«, presste sie mühsam hervor und schaute wieder ins Zimmer.

Marie lag auf der Seite und blickte zu ihnen herüber, schien sie aber nicht richtig wahrzunehmen. Sie hatte die kleine Hand unter ihr Gesicht gelegt und atmete mit leicht geöffnetem Mund. Als sie ihren Vater sah, hob sie sacht die andere Hand und winkte.

Leo schluckte. »Ilse, es tut mir leid. Ich hätte vorher anrufen sollen, aber es war mitten in der Nacht.«

Sie trat vom Fenster zurück und lehnte sich an die Brüstung. »Ich will keine Entschuldigungen hören. Dass du bei einer Frau warst, geht nur dich etwas an. Einer Frau, von der ich im Übrigen nichts halte, aber das nur nebenbei.«

»Wie du schon sagtest, Marlen geht dich nichts an.«

»Und was ist mit meinen Bekannten?«, begehrte sie auf. »Was war mit dem Nachmittag, an dem ich verabredet war und du ins Präsidium gegangen bist, obwohl du gar keinen Dienst hattest?«

Er hatte geahnt, dass sie früher oder später noch einmal damit anfangen würde. »Es war nicht richtig, aber ich habe mich bereits dafür entschuldigt. Wie oft soll ich es noch tun?«

»Du sollst dich nicht ständig entschuldigen, sondern einfach anders verhalten, Leo.« Sie nannte ihn so selten beim Namen, dass er beinahe zusammengezuckt wäre. Er schaute unwillkürlich durchs Fenster zu Marie und hoffte, dass sie nichts von der Auseinandersetzung mitbekam. Ilse war für sie mehr als eine Tante, da Marie ihre Mutter fast nicht gekannt hatte. Ein Streit zwischen ihr und dem Vater würde sie gewiss verunsichern.



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