Klara und die Sonne by Kazuo Ishiguro

Klara und die Sonne by Kazuo Ishiguro

Autor:Kazuo Ishiguro [Ishiguro, Kazuo]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blessing
veröffentlicht: 2021-08-15T16:00:00+00:00


Für meinen Weg zu Mr. McBains Scheune war, wie ich zu Rick gesagt hatte, die Wahl des Zeitpunkts entscheidend, und als ich zum zweiten Mal an diesem Tag die losen Steine in Richtung Bilderrahmentor überquerte, füllte sich mein Geist mit der Furcht, dass ich ihn falsch berechnet hatte. Die Sonne stand schon tief– und ich konnte nicht davon ausgehen, dass das zweite und das dritte Grasfeld ebenso leicht begehbar wären wie das erste.

Anfangs war ich beruhigt, der informelle Pfad zu Ricks Haus war ähnlich wie am Morgen. Diesmal hatte ich beide Hände frei, um das Gras von mir wegzuschieben, und als ich das tat, stoben Abendinsekten auf. Vor mir in der Luft schwebten weitere Insekten, die nervös ihre Position wechselten, aber nicht gewillt waren, ihren freundschaftlichen Verbund aufzulösen.

Meine Furcht, Mr. McBains Scheune nicht rechtzeitig zu erreichen, veranlasste mich, im Vorbeigehen nur einen kurzen Blick auf Ricks Haus zu werfen, und dann war ich auf dem informellen Pfad schon weitergekommen als je zuvor. Ich ging durch ein weiteres Bilderrahmentor, hinter dem das Gras zu hoch wurde, als dass ich die Scheune noch länger hätte sehen können. Das Feld unterteilte sich in Kästchen, einige größer als andere, und ich ging weiter und erkannte, dass zwischen den einzelnen Kästchen gegensätzliche Stimmungen herrschten. Einmal war das Gras weich und nachgiebig und der Boden leichtgängig; dann wiederum überschritt ich eine Grenze, und alles wurde dunkel, das Gras ließ sich nicht beiseiteschieben, und ringsum waren fremdartige Geräusche, die mich fürchten ließen, dass ich mich erheblich verschätzt hätte, dass ich keinerlei Rechtfertigung hätte, die Privatsphäre der Sonne in der erhofften Weise zu stören, dass meine Bemühungen sogar schädliche Folgen für Josie haben könnten. Bei der Durchquerung eines besonders unfreundlichen Kästchens vernahm ich die Schreie eines leidenden Tiers in der Nähe, und ein Bild von Rosa kam mir in den Sinn, die irgendwo im Freien auf unebenem Boden inmitten kleiner Metallteile saß und mit beiden Händen nach ihrem steif von sich gestreckten Bein griff. Das Bild tauchte nur eine Sekunde lang in meinem Geist auf, doch das Tier machte noch immer dieses Geräusch, und ich spürte, wie der Boden unter mir einstürzte. Ich musste an den entsetzlichen Stier auf dem Weg zu den Morgan-Fällen denken, der aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Untergrund heraufgekommen war, und einen kurzen Moment lang dachte ich sogar, die Sonne sei gar nicht gütig, und dies sei der wahre Grund für Josies sich verschlechternden Zustand. Selbst in dieser verworrenen Lage war ich überzeugt, dass ich außer Gefahr wäre, wenn ich mich nur durch dieses Kästchen hindurch in ein freundlicheres retten könnte. Auch vernahm ich, dass eine Stimme nach mir rief, und entdeckte jetzt ein Stück vor mir im Gras einen Gegenstand, der einem Verkehrskegel ähnelte, wie ihn die Instandsetzer aufstellten. Die Stimme kam hinter dem Kegel hervor, und als ich mich darauf zuzubewegen versuchte, wurde mir klar, dass es in Wahrheit zwei Kegel waren, der eine auf den anderen geschoben, was dem höheren erlaubte, eine Schaukelbewegung auszuführen, vielleicht um Vorbeigehende auf sich aufmerksam zu machen.



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