Kinder der Nacht (German Edition) by Bernhard Hennen

Kinder der Nacht (German Edition) by Bernhard Hennen

Autor:Bernhard Hennen [Hennen, Bernhard]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2014-09-07T22:00:00+00:00


Halb kriechend schleppte sich Nandalee zum Waldrand. Ihre Kinder lagen im Schnee hingestreckt. Ein Anblick, der Nandalee alles vergessen ließ. Den Schmerz ihrer Wunden. Die Kälte, die unbarmherzig von ihrer Lebenswärme trank.

Ihre Waffen hatte die Elfe auf dem Eis zurückgelassen. Ihren Köcher abgestreift. Kleine, nadelspitze Schneeflocken stachen ihr ins Gesicht. Ein unbarmherziger Nordwind war aufgekommen und trieb ihr den Schnee fast waagrecht entgegen. Nandalee blinzelte. Ihre dicke Schaffellweste knirschte bei jeder ihrer Bewegungen. Sie hatte sich voll Wasser gesogen, das nun zu gefrieren begann.

Schnee sammelte sich in den Falten der Wintermäntel ihrer Kinder. Sie lagen reglos. Unter Melianders Nase glänzte Blut. Nandalee wusste, dass die beiden ihr geholfen hatten. Sie hatte den machtvollen Zauber gespürt, den ihre Kinder gewoben hatten, um sie zu retten. Das hätte nicht geschehen dürfen! Die beiden waren zu jung, um die Kraft beherrschen zu können, die sie entfesselt hatten. Die Kraft, die alle Welten durchdrang, tötete jene, die sie unbedacht gebrauchten.

Ängstlich tastete sie nach Melianders Gesicht. Es war so kalt, so blass. In dem Moment schlug er die Augen auf. Seine wundervollen, grünen Augen! Er lächelte. »Mama«, sagte er leise. Auch Emerelle erwachte, als bestünde ein unsichtbares Band zwischen ihr und ihrem Bruder. Nandalee hatte das schon früher beobachtet. Die beiden waren Zwillinge, so verschieden sie auch erschienen, manchmal war es, als seien sie eins.

Emerelle griff nach ihrer Kehle. Sie hustete, als sie sich aufsetzte. »Ich habe ihn sterben gespürt«, flüsterte sie. »Ich konnte fühlen, wie der Dorn durch seine Kehle stach. Wie sein Leben …« Sie sah sich mit angstweiten Augen um. »Wir leben doch noch …«

Nandalee strich ihr sanft über die Lippen. »Alles ist gut. Ihr habt mich gerettet …« Ihr stockte die Stimme. »Ich … wir müssen fort von hier. Noch andere Drachen werden kommen.«

»Warum verfolgen uns die Drachen?«, fragte Meliander.

»Weil sie die Lügen glauben, die man über mich erzählt. Ich soll sie verraten und einen von ihnen ermordet haben.« Erschrocken blickte Emerelle zu ihr auf. Sie konnte sehen, wie ihre Tochter um Worte rang.

»Aber … du bist doch eine Drachenelfe. Du trägst die Tätowierungen des Dunklen. Du hast ihm immer treu gedient!«

»Warum sagst du ihnen nicht einfach, dass das nicht stimmt?«, fragte Meliander ruhig, so wie es seine Art war. Er wirkte viel weniger aufgewühlt als Emerelle. Vielleicht ließ er es sich auch einfach weniger anmerken. Auch wenn er ihr Sohn war, blieben ihr seine Gefühle oft ein Rätsel.

Nandalee lächelte traurig. »Sie hören mir nicht zu. Sie glauben allein dem neuen Fürsten unter den Drachen. Deshalb müssen wir einen Ort suchen, an dem sie uns nicht finden können.« Sie blickte zu dem Berg auf der anderen Seite des Fjords, auf dem das magische Tor lag. Das leichte Schneetreiben verwischte ihn zu einem undeutlichen Schemen unter dem Mond. »Könnt ihr gehen?«

Sie beide nickten gleichzeitig.

Nandalee half ihnen auf. Sie wünschte sich, die beiden würden über das reden, was geschehen war. Würden mehr Fragen stellen oder ihr Vorwürfe machen, aber sie waren still. Und sie selbst fand auch keine Worte. Ihre Kinder hätten das nicht erleben dürfen.



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