Katharina Rappmund - Wenn alle Dämme brechen by Katharina Rappmund - Wenn alle Dämme brechen

Katharina Rappmund - Wenn alle Dämme brechen by Katharina Rappmund - Wenn alle Dämme brechen

Autor:Katharina Rappmund - Wenn alle Dämme brechen [Rappmund, Katharina]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955307271
Herausgeber: Edel eBooks
veröffentlicht: 2015-03-29T22:00:00+00:00


SELBER KINDER KRIEGEN

Meine vielschichtigen Erfahrungen im Kreißsaal führten dazu, dass ich das Thema der eigenen Vermehrung eher kritisch sah. All diese möglichen Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt, der ganze Schmerz, das Drama und mögliches seelisches Leid resultierten bei mir in einer natürlichen Abwehrhaltung. Denn ich verfüge über einen gesunden Selbsterhaltungstrieb.

Nachdem ich Einblick in die Geburtshilfe genommen hatte, fragte ich mich allen Ernstes, wie Frauen freiwillig diese Tortur auf sich nehmen konnten. Und wusste die Antwort doch schon selbst: Sie hatten ja keine Ahnung! Sie kamen völlig überrumpelt von den ersten wirklichen Wehen im Kreißsaal an. Ihnen blieb keine andere Wahl, als die Entbindung einfach über sich ergehen zu lassen. Denn trotz guter Geburtsvorbereitungskurse und freundlicher Hebammentipps mussten sie feststellen, dass sich der Schmerz oft doch nicht so einfach wegatmen lässt.

Was aber Mütter dazu veranlasste, auch noch zweite, dritte oder gar vierte Kinder zu bekommen, sich offenen Auges mehrfach auf diese Situation einzulassen, das war mir vollkommen schleierhaft. Offensichtlich gewöhnte man sich an alles.

Es war jedoch auffallend, wie wenig die gynäkologischen Jungärztinnen im ersten Kreißsaaljahr über einen eigenen Kinderwunsch sprachen. Die erfahreneren Kolleginnen oder auch Fachärztinnen hatten damit weniger ein Problem. Sie sprachen zwar nicht über Kinder, sie bekamen sie einfach. Erstaunlicherweise häufig zu den denkbar ungünstigsten Zeitpunkten.

Eigentlich möchte man meinen, Frauenärztinnen seien besonders versiert in Dingen der Familienplanung und Verhütung. Sie hätten es fest im Griff, wann, mit wem und wie viele Kinder sie bekommen. Aber die Realität sieht anders aus.

Kerstin, eine Kollegin von mir an der Uniklinik, ist dafür das beste Beispiel. Sie war im Gegensatz zu uns anderen Gynäkologinnen der Abteilung, die wir uns in Beziehungen auf Zeit, eheähnlichen Gemeinschaften oder im Verlobungstaumel befanden, immer Single geblieben. Dabei sah sie wirklich niedlich aus. Sie hatte langes, leicht gewelltes, goldblondes Haar und eine sportliche Figur. Ihre Augen waren groß, und die Regenbogenhaut strahlte in einem verwaschenen Türkis, das an den Rändern von einem dunklen Ring umgeben war. Es sah aus, als habe sie jemand mit viel Wasser und einem Aquarellpinsel in ihr Gesicht getupft. Zudem war sie eine virtuose Operateurin. In einem Nachtdienst hatte sie notfallmäßig ganz allein eine geplatzte Eileiterschwangerschaft per Bauchspiegelung operiert. Was ein bisschen so ist, als spiele man am Computer das altmodische Kindergeburtstagsspiel »Schokolade essen«, bei dem man Messer und Gabel in zwei dicken Fäustlingen hält und damit eine in Zeitung verschnürte Tafel Schokolade aufschneiden und zerteilen muss. Denn anstatt in den Bauchraum sieht man während einer Bauchspiegelungs-OP nur auf einen Bildschirm.

Kerstin hatte die Blutung gestillt und damit die Frau gerettet, noch bevor der Oberarzt sich steril gewaschen hatte. Dabei war sie damals noch gar nicht Fachärztin. Aber sie hatte es einfach drauf. Sie verfügte über geschickte Finger und genug Mumm in den Knochen, um solche Stresssituationen souverän zu meistern. Sie machte natürlich innerhalb kürzester Zeit ihre Facharztprüfung und verließ dann die Klinik, um ihre eigene Praxis zu gründen.

Wir waren alle zur Praxiseinweihung eingeladen. Ich war wirklich beeindruckt. Die Wände leuchteten in warmem Apricot, eine schlichte Theke stand als Anmeldung zur Verfügung, und an den Wänden hingen moderne Kunstwerke.



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