Kaltes Blut by Andreas Franz

Kaltes Blut by Andreas Franz

Autor:Andreas Franz
Die sprache: eng
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2003-08-07T22:00:00+00:00


Sonntag, 15.15 Uhr

Miriam Tschierke wohnte in einem Hochhaus im Südring, das wie ein Fremdkörper am Ende einer langen Straße mit lauter Einfamilienhäusern und Bungalows wirkte. Durant ging an einem Kiosk vorbei auf den Eingang zu, suchte nach dem Klingelschild, fand es schließlich und drückte den Knopf. Auf dem Parkplatz ein paar spielende Kinder, auf einigen Balkonen des gewaltigen Baus Sonnenschirme, Stimmen, Lachen. Sie wartete, und als sich niemand meldete, versuchte sie es ein weiteres Mal. Diesmal knackte es im Lautsprecher, eine weibliche Stimme.

»Hier Durant, Kriminalpolizei. Ich würde gerne mit Miriam Tschierke sprechen.«

»Miriam ist nicht zu Hause.«

»Sind Sie die Mutter?«

»Ja.«

»Wo kann ich Miriam finden?«

»Ich weiß es nicht. Aber Sie können hochkommen, wenn Sie möchten. Elfter Stock, rechts vom Aufzug, letzte Tür links.«

»Ja, gut.«

Was soll’s, dachte Durant, der Türsummer ertönte, sie drückte die Tür auf. An der Decke gut sichtbar eine Überwachungskamera. Einer der beiden Aufzüge stand unten, sie betrat ihn und fuhr nach oben. Er ratterte und gab seltsame Geräusche von sich. Sie erinnerte sich an früher, als sie vor kaum etwas mehr Respekt als vor Aufzügen hatte. Allein der Gedanke, in einen einzusteigen, hatte bei ihr Panikattacken ausgelöst. Inzwischen war die Angst verflogen, sie wusste, Aufzüge waren nicht gefährlich, es gab immer einen Weg raus.

Der elfte Stock. Ein dunkler Flur, geschlossene Türen, sie ging nach rechts bis zur letzten Tür, klingelte noch einmal, eine Frau undefinierbaren Alters machte ihr auf.

»Bitte, kommen Sie rein«, sagte Frau Tschierke und wartete, bis sie eingetreten war. »Geht es um Selina?«

»Ja.«

Frau Tschierke war ein Stück kleiner als Durant, hatte mittelbraunes, kurz geschnittenes, sehr volles Haar und war ungeschminkt. Auffällig waren die tiefen Falten, die sich um die Nase und die Mundwinkel gebildet hatten. Ein Blick auf die schmalen, grazilen Hände, kein Ehering. Gut geschminkt und zurechtgemacht, war sie sicher eine sehr ansehnliche Frau. Der Fernsehapparat lief, ein Glas Rotwein stand auf dem Tisch, die fast leere Flasche darunter. Das Wohnzimmer aufgeräumt, beinahe keimfrei, die Balkontür war offen. Die Einrichtung antik, an der Wand seltsame Masken, die eine düstere Atmosphäre verbreiteten. Es roch leicht nach Gebratenem, Zwiebeln, Fleisch, womöglich Pommes frites. Miriams Mutter trug ein graues Sweatshirt und dunkelblaue Leggings, ihre Füße waren nackt, die Zehennägel unlackiert. Sie hat sehr schöne Beine und eine gute Figur, dachte Durant.

»Darf ich Ihnen ein Glas Wein anbieten?«

»Nein, danke. Ich wollte wirklich nur kurz mit Ihrer Tochter über Selina sprechen. Können Sie mir sagen, wann sie in etwa wiederkommt?«

»Nehmen Sie doch Platz, Frau … Ich habe vorhin Ihren Namen nicht verstanden.«

»Durant.« Sie wollte nicht unhöflich sein und gleich wieder gehen, hatte sie es doch offensichtlich mit einer einsamen Frau zu tun. Sie setzte sich auf das Sofa, Frau Tschierke stellte den Ton des Fernsehers leiser.

»Ja, das mit Selina hat wohl alle sehr getroffen. In Hattersheim passiert so was normalerweise nicht. Und ich wohne immerhin schon seit über zwanzig Jahren hier. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass es hier schon mal einen Mord gegeben hat.«

»Das kann ich nicht sagen, ich bin eigentlich für Frankfurt zuständig, aber mein Kollege wohnt in Okriftel und …« Ich rede wie ein Wasserfall, dabei geht sie das gar nichts an, dachte Durant.



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