Kalte Monde by Manfred Wieninger

Kalte Monde by Manfred Wieninger

Autor:Manfred Wieninger [Wieninger, Manfred]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783709974674
veröffentlicht: 2015-07-15T16:00:00+00:00


Am Herren-WC hing ein Automat mit Präservativen an der Wand. Na ja, dachte ich, ganz schön lustiges Leben für die Pfleger und Pflegerinnen hier, denn für die Pfleglinge war Verhütung wohl nicht mehr so wahnsinnig vordringlich. Als ich vom WC zurückkam, war mein Gesprächspartner verschwunden, dafür war Frau Lephart in ihr Zimmer zurückgekommen. Sie saß mit einer gewaltigen Brille lesend an einem Tischchen. Sie freute sich über meinen Anblick, wie sich schon seit Monaten, ja seit Jahren keiner mehr gefreut hatte, wenn ich irgendwo auftauchte.

„Am Ende eines nicht ganz gewöhnlichen Lebens ist alles, was bleibt, dies: ein Tischchen, zwei Stühle, ein Bett, ein Schrank, eine Waschmuschel und im Herzen die Toten“, begrüßte sie mich und legte das Buch mit dem Umschlag nach oben auf die Tischplatte. Ich versuchte den Buchtitel zu entziffern, aber im Verkehrtlesen war ich als Siebenjähriger besser gewesen.

„Zwei Stühle sind optimal. Da sind wir ja versorgt.“

Der Trost, den die Jugend dem Alter spendet, dachte ich, ist immer schal, ohne Wahrhaftigkeit wie das Gewäsch eines Spin Doctors.

„Wie geht es Ihnen?“, fragte ich nicht eben originell.

„Wie wenn mich die Würmer schon gefressen hätten.“

„Brauchen Sie etwas?“, fragte ich banal weiter.

„Ja, einen eisernen Besen, um diesen Saustall hier auszukehren!“

„Saustall? Wie meinen Sie das?“, fragte ich leicht verwirrt.

„Zum Beispiel Aushilfskräfte, die kaum ihren Namen schreiben können, aber eigenmächtig Sedativa verabreichen und lästige Alte stunden-, ja tagelang in ihren Zimmern einsperren, Ärzte und Therapeuten, die es nur auf dem Dienstplan, aber nicht im Dienst gibt, mehr Alkohol als im Münchner Hofbräuhaus, aber nur unter den Bediensteten, Bettnässer, die mit ihren besudelten Leintüchern ausgepeitscht werden, strafweiser Flüssigkeitsentzug, Essen aus der Dose, monatelang kaputte Notrufklingeln, eine Musiktherapie, die vor allem darin besteht, Radios und CD-Player einzuziehen, um sie in den Schwesternzimmern wieder aufzustellen, und allerhand finanzielle Machinationen und Manipulationen, die ich noch nicht heraushabe, noch nicht ganz verstehe!“

Das hier, dachte ich, ist ein kaltes Land.

„Warum gehen Sie nicht weg von hier? In ein anderes Heim?“

„Ich möchte es schließen lassen – und das kann ich, glaube ich, nur von innen! Es gibt hier für meinen Geschmack viel zu viele Erblasser ohne Angehörige, die alles dem Heim vermachen. Kaum haben sie, so scheint es jedenfalls, hier herinnen ihr Testament gemacht, holt sie auch schon der große, schwarze Rabenvogel.“

Wow, dachte ich, diese alte Dame hat zehnmal mehr Power als du selbst, Miert. Auf jeden Fall hatte sie keine Nerven, wenn sie hier als über Achtzigjährige eine Undercover-Nummer abziehen wollte.

„Wem gehört das Heim?“

„Das versuche ich gerade herauszufinden. Die Verträge, auch mein eigener, wurden von einem gewissen Dr. Assinger unterfertigt. Ich verfasse gerade ein Protokoll über all die Missstände, aber ich habe hier natürlich kein Büro, geschweige denn eine Schreibmaschine. Und dass irgendwer für mich tippen würde, ist so unwahrscheinlich wie eine Geburt durch ein Ohr.“

„Sie sollten vorsichtig sein, verdammt vorsichtig! Und zur Sicherheit in ein anderes Heim wechseln! Soll ich das für Sie in die Wege leiten?“

„Seien Sie nicht so verdammt besorgt wie eine Pfarrerstochter! Machen Sie sich um mich keine Sorgen! Unter Hitler war ich Kurier für die



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.