Kalte Herzen by Korber

Kalte Herzen by Korber

Autor:Korber
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-01-26T05:00:00+00:00


15

Unter vielen Entschuldigungen überließ Jeannette Regine und Natascha in der Rollnerstraße sich selbst, wo sie mit dem Verkehr, dem Parkplatzmangel und dem Inhalt des prallgefüllten Lieferwagens kämpften. Regines muffiges »Ja, ja« klang ihr noch im Ohr, als sie den kurzen Weg zu der Partneragentur hastete, deren Räumlichkeiten ganz in der Nähe lagen. Die Adresse erwies sich als ein Hochhaus von altmodischer Tristesse, mit Werbeneonreklamen von Versicherungen an der Fassade und Vorhängen mit Grauschleiern hinter den Fenstern der oberen fünf Etagen.

Das Schild der Agentur war aus silberfarbenem Metallimitat und stand an den Ecken ab. Es klebte im Aufzug, der streng nach Putzmitteln und kaltem Rauch roch, neben dem Knopf für die dritte Etage. Eine Frauenstimme hatte Jeannette heraufgebeten und ihr den Weg gewiesen. Ohne die Erläuterung hätte sie die schmale Glastür zwischen der Autovermittlung und dem Bedarf für Büroartikel auch nicht gefunden.

Die Räume, in die sie eingelassen wurde, hatten deutlich den Zuschnitt einer Privatwohnung. Wohnzimmer, Kinderzimmer, Schlafzimmer. In letzterem war so etwas wie ein improvisiertes Fotoatelier untergebracht, im Wohnraum stand der Schreibtisch des Chefs, der allerdings nicht da war.

»Er ist selten im Haus«, kommentierte eine junge, gelangweilt dreinblickende Angestellte im superknappen Mini aus grauem Tuch, die unter ihrem Jackett ein eng sitzendes, tief ausgeschnittenes Top trug. Ihr Gesicht war sorgfältig geschminkt wie das einer Geschäftsfrau, ihr Unterkiefer jedoch malmte in trägem Rhythmus auf einem Kaugummi herum. Als sie Jeannettes Marke sah, spuckte sie ihn in den übervollen Aschenbecher, der auf der Tischplatte stand.

»Hören Sie, ich wollte hier sowieso nächste Woche aufhören«, begann sie.

Jeannette reagierte nicht darauf. Sie holte den Zeitungsausriß heraus und faltete ihn auf. »Woher stammt dieses Foto?« fragte sie und deutete auf Julia Steinerts Gesicht.

»Weiß nicht«, war die achselzuckende Antwort. »Da müßte ich erst mal …«

»Tun Sie’s«, unterbrach Jeannette die träge Stimme. Die Frau zuckte zusammen, sprang auf und wandte sich zu einem Wandbord um, das voller grauer Papp-Aktenordner stand.

»Arbeiten Sie hier nicht mit Computern?« fragte Jeannette.

Ein bitteres Lachen war die Antwort. »Wozu?« fragte die Frau, die sich reckte, um an einen der Ordner heranzukommen.

Jeannette hob die Augenbrauen. Die Kundendatei war wohl nicht besonders groß. Nun, das würde ihr die Arbeit erleichtern.

Die Frau blätterte in den Unterlagen herum. »Mandy, Mandy«, murmelte sie dabei. »Ich kann nix finden.« Sie schaute auf. »Der Fotograf arbeitet freiberuflich. Der kommt nur unregelmäßig vorbei.«

»Sie wissen«, fragte Jeannette streng, »daß das Mädchen auf dem Bild nicht Mandy heißt?«

Die Antwort war ein Achselzucken. »Was wollen Sie, das machen alle so. Unser Fotograf spricht die Mädchen auf der Straße an, wenn er findet, sie passen. Dann macht er die Bilder, schenkt ihnen ein paar Abzüge und versichert ihnen, daß die Annonce nicht in ihrer Heimatstadt erscheint.«

Jeannette nickte. Julia Steinert wohnte in Nürnberg, und die Anzeige war in einem Weißenburger Regionalblatt erschienen.

»Manchmal schneide ich auch welche aus dem Quellekatalog aus«, sagte die Frau und kicherte. Sie hatte sich einen neuen Kaugummi genommen und musterte Jeannette interessiert. »Was suchen Sie eigentlich?«

Vermutlich, wenn das Geld für den Fotografen nicht reichte, dachte Jeannette und las noch einmal den Aufdruck »Originalfoto«. Der abwesende Chef hatte da wirklich ein Goldstück von Mitarbeiterin.



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