Kaiserin Elisabeth ermittelt 01 - Sisis schöne Leichen by Brezina Thomas

Kaiserin Elisabeth ermittelt 01 - Sisis schöne Leichen by Brezina Thomas

Autor:Brezina, Thomas [Brezina, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: edition a
veröffentlicht: 2021-10-15T00:00:00+00:00


34

Wie viele Tage hast du noch für mich vorgesehen, Gott?

Die alte Fürstin saß in ihrem Rollstuhl vor den drei hohen verglasten Türen, die auf eine kleine Terrasse führten.

Welch ein Luxus, dachte sie. Die Türen waren in Quadrate unterteilt, durch die auch an schlechten Tagen viel Licht in ihr Zimmer fiel. An einem regnerischen Nachmittag wie heute konnte sie davorsitzen und in die Landschaft blicken.

Wie lange werde ich noch hier sitzen können, Gott?

Das stille Gebet beruhigte sie an Tagen wie diesem. So viele Jahre lang schien das Geheimnis der Gruft gut gehütet und geschützt zu sein. Bis wieder jemand kam und danach fragte.

Aber wie war das möglich? Es gab nur drei Mitwisser: die beiden Totengräber und diesen verrückten Komponisten, der in seiner Besessenheit etwas beobachtet hatte, das nicht für seine Augen bestimmt gewesen war.

Die Totengräber hatten sich beide versoffen. Keiner hätte ihnen geglaubt, wenn sie erzählt hätten, was in dieser Nacht geschehen war.

Wie die Fürstin in Erfahrung bringen konnte, starben sie nur ein Jahr später im Abstand von wenigen Monaten.

Wie jung ich damals war, dachte sie. Sie betrachtete die dunklen Flecken auf den dürren Händen. Die Zeit hatte sie ausgetrocknet und zernagt, wie sie das mit jedem Lebewesen tat.

Der Komponist hatte vorgesprochen, kurz nachdem ihre Eltern abgereist waren. Sie waren nach Baden bei Wien gefahren, um dort zu kuren.

Es war eine glückliche Fügung, dass die Fürstin als einziges Familienmitglied im Schloss zurückgeblieben war. So kam der Komponist zu ihr. Sie konnte ihn noch immer vor sich sehen, wie er kriecherisch begonnen hatte, von wissenschaftlichem Interesse zu sprechen. Sie hatte vorgegeben, nicht zu verstehen, was er meinte.

Da war er frech geworden.

»Ich habe Sie gesehen«, hatte er gesagt, mit einem falschen Lächeln im Gesicht. »Als Sie die Leiche fortgeschafft haben. Eine adelige Leichendiebin.«

Die Fürstin war ihm mit steinernem Gesicht gegenübergesessen und hatte keine Reaktion gezeigt. Gleichzeitig hatte sie fieberhaft überlegt, was nun zu tun war. Ihre Tat durfte niemals an die Öffentlichkeit gelangen. Ihre Eltern hätten sie ihr nie verziehen, ihr Ruf wäre zerstört gewesen, ihr Verlobter Arnold hätte die Hochzeit abgesagt.

Der Komponist schilderte ihr jedes Detail. Er wollte ihr beweisen, dass er Bescheid wusste und sie in der Hand hatte. Es war ein bitterkalter Tag im Dezember gewesen und es hatte in Strömen geregnet.

Die Fürstin war mit einem Fuhrwerk zum Friedhof gekommen, das von zwei Pferden gezogen wurde. Auf der offenen Ladefläche transportierten die Holzknechte normalerweise zerhackte Baumstämme. In dieser Nacht aber sollte der Wagen eine völlig andere Fracht tragen. Jokl, der stumme, einfältige Knecht, begleitete die Fürstin. Der gute Kerl tat alles, was man von ihm verlangte, und konnte niemandem davon erzählen.

»Ich verehre ihn, müssen Sie wissen«, hatte der Komponist gesagt. »Ich möchte in seiner Nähe sein. Es ist die Nähe Gottes.«

Er sprach von dem unwürdigen letzten Weg. Die wenigen Trauernden waren auf Grund des Wetters umgekehrt, noch bevor der Sarg ins Grab gelassen worden war. Er aber war bei ihm geblieben.

»Es bereitete meiner Seele Schmerzen, als die Totengräber den Sarg neben dem frisch ausgehobenen Grab einfach im Regen stehen ließen. Ich wollte sie an ihre Pflicht erinnern, aber sie haben mich nur ausgelacht.



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