Julio Ortega: Kampf für Liebe und Freiheit (German Edition) by J. Renner

Julio Ortega: Kampf für Liebe und Freiheit (German Edition) by J. Renner

Autor:J. Renner [Renner, J.]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: UNKNOWN
veröffentlicht: 2017-04-30T22:00:00+00:00


4. Machtworte des Patriarchen

Wärme strahlte aus dem Boden nach oben und von den Wänden her der Mitte zu. Draußen ging ein strenger Wind. Drinnen war man wie in Watte gepackt. Der große Saal hing wie ein beheiztes Schiff im trüben Tag. Im großen, herrschaftlichen Sessel, unter dem Gemälde des Machthabers Pinochet, saß ein älterer Herr, rauchte seine dicke Zigarre und blies den Rauch in den Raum. Ein Raum der physischen Wärme, doch der seelischen Kälte. Die graublauen Augen des Rauchenden wirkten wie frostiger Stahl, ohne Ausdruck. Die Lippen umschlossen jetzt wieder die Zigarre. So nahm er Zug um Zug. Am anderen Ende des Saales stand ein teures, maronenbraunes Sofa edler Herstellung. Auf dem Sofa selbst saß eine junge Frau, die Beine angewinkelt, die Augen hinter einer großen Sonnenbrille versteckend. Der alte Mann drückte jetzt seine Zigarre in einem goldgerahmten Aschenbecher aus. Es zischte. In einer langsamen Bewegung, sich kurz das Kreuz haltend, stand er auf. Der Mann ging auf dem beheizten Boden, in Armeestiefeln, den Raum entlang. Seine Stiefel klopften bei jedem Schritt auf dem Boden und er schien das Geräusch zu mögen. So wie er auch seine Uniform mochte, die mit glänzenden Orden verziert war und die er sogar zu Hause nie ablegte. Er ging also auf und ab, auf und ab, schien dabei in sich versunken zu sein und intensiv nachzudenken. Plötzlich hielt er im Gang inne, wandte den Blick nach rechts. Dort war das majestätische Fenster des Hauses, durch das man in die Weite sehen konnte.

Was er von hier aus nicht sehen konnte, war das Produkt seines Lebens und die Ursache seines Reichtums, seines großen Stolzes, der zu gleich die große Scham seiner Tochter darstellte. Jeder Zentimeter des Bodens und jede Einheit an Arbeitskraft wurden mit bedingungsloser Härte herausgepresst, als handele es sich um Zitronen für Limonade. Das Leben für die Menschen unter ihm bestand nicht aus Limonade, sondern aus stinkenden Fäkalien. Triumphierend wanderten nun die beiden Eiswürfel seines Antlitzes über das Land, das ihm gehörte. Sein Anwesen war schier gigantisch und seine Selbstgefälligkeit war konstant mit seinem materiellen Besitz gewachsen. Nur ein Mann war mächtiger und größer als er, zumindest noch. Doch es gab einen Weg, die Macht noch zu erweitern. Dieser alte Mann war wie ein genmanipulierter Hai, der mehr frisst als er braucht und daran irgendwann zu Grunde gehen muss. Jetzt machte er eine Drehung um die eigene Achse, die er selbst wohl für elegant hielt, aber in Wirklichkeit peinlich plump aussah. Strammen Schrittes ging der kalte Alte auf das Sofa zu. Die Sitzende sah auf. Er riss ihr die Sonnenbrille vom Gesicht und sah sie drohend an, die Fäuste geballt. Das linke Auge der Frau tränte noch leicht, das rechte war schon in Hass gehüllt. Die Szene spielt in Santiago de Chile, im Hause der Familie Perez.

„Was ist nur los mit dir, zum Teufel noch mal“, brach Don Perez das Schweigen. „Der Kerl ist stinkreich und sieht gut aus. Was willst du denn? Mach den Mund auf. Los!“

„Wir sind selber nicht arm. Ich suche einen Mann, den ich liebe und nicht dessen Geld du liebst.



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