Jeder Tag ist neu by Lise Gast

Jeder Tag ist neu by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-02-26T00:00:00+00:00


* * *

Da sind sie, unsere sechs Babys. Minnchen bringt sie, im torfgefüllten Kästchen. Über der Einstreu liegt eine Mullwindel; die wird jedesmal, wenn die Kleinen die Flasche kriegen, herausgenommen und gewaschen und durch eine frische ersetzt wie bei Menschenbabys. Fünfmal am Tag tränken wir die winzigen Meckis mit warmer, gesüßter, leicht verdünnter Milch, die sie aus Puppenflaschen bekommen. Dazu muß man solch eine kleine Stachelkugel in die Hand nehmen – man lernt das schon, ohne sich dabei zu stechen, anfangs tat es manchmal tüchtig weh – und sie an die Brust drücken, indes man mit der andern Hand die Flasche hält und den Sauger ins Mäulchen stopft. Die Kleinen beginnen gierig zu saugen, aber natürlich läuft auch dauernd Milch daneben. Wir binden uns zum Füttern immer alte Stallschürzen um, trotzdem riechen wir hernach alle etwas sauer.

Manche der Kleinen sind schon recht unternehmend, versuchen, den Rand der Kiste zu erklimmen, schnuppern umher oder eilen auf merkwürdig hohen Beinen unserer Hand entgegen, wenn wir sie zum Füttern herausnehmen wollen. Andere wieder ducken sich und stellen die Stacheln auf. Um sie nicht zu verwechseln und um keins sechsmal zu füttern, während fünf hungern, haben wir sie durch Filzstift mit je einem Farbklecks gezeichnet. Mit dem Buchstaben der jeweiligen Farbe fängt ihr ›Name‹ an. Rot zum Beispiel heißt Rebell, Schwarz Schlafmütze, Grün Gammler; er sieht ein bißchen unordentlich aus, mit zerwirrtem Stachelhaar, finden wir. Appetit haben sie alle. Soviel Freude sie uns auch machen, wir werden ein wenig aufatmen, wenn sie keine Flasche mehr brauchen, sondern gelernt haben, aus einem flachen Topf zu trinken. Hoffentlich bekommen wir sie über den Winter! Wenn sie schnell genug wachsen, können wir sie noch vor der großen Kälte aussetzen, damit sie sich einwintern. Die Kinder haben beschlossen, einen großen, großen Laubhaufen zusammenzufegen, dort wollen wir die Igel laufen lassen. Im Keller würden sie nicht schlafen können, denn da stört unsere Waschmaschine.

Markus, noch immer neben mir, tritt von einem Bein aufs andere und möchte etwas sagen.

Ich beuge mich zu ihm hinab. 'Na?'

Wahrscheinlich haben die beiden Mädchen ihn hergeschickt, um etwas zu erbetteln. Wie alle Kinder machen sie sich den Besuch zunutze, in dessen Gegenwart man eher 'Meinetwegen' sagt als sonst, weil man abgelenkt ist.

'Dürfen wir reiten, Immerle?' piepst er. Es klingt so süß, daß ich nicht widerstehen kann. 'Ja, ihr dürft. Du auf dem Esel und die andern meinetwegen auf den Isländern.' Die kleinere, die Shetlandstute, die eigentlich für so winzige Nachwuchsreiter das richtige wäre, hat dies Jahr ein spätes Fohlen gekriegt und soll noch geschont werden. 'Kommt, ich helfe euch. Habt ihr denn den Stall geputzt?'

O weh, vergessen wie so oft! Ich laufe mit ihnen auf die Hausweide, und zu viert stürzen wir uns in die Arbeit. Unsere Kinder spielen weder mit Puppen noch mit Autos wie andere ihres Alters, sie haben ihre Tiere. Die Kater werden herumgeschleppt und in die Puppenwagen gelegt, die Ponys und Esel bemuttert, so daß ich zuweilen korrigierend eingreifen muß. Denn Ponys sollen nicht verwöhnt werden, beispielsweise darf man sie nicht in den Stall stellen oder abdecken.



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