Jagdzeit by David Osborn

Jagdzeit by David Osborn

Autor:David Osborn [Osborn, David]
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: Readbox
veröffentlicht: 2011-05-25T22:00:00+00:00


15

Art goss Kaffee aus der Espressokanne und sagte: „Ich finde nicht, dass du ihnen die zusätzlichen zehn Minuten hättest geben sollen.“ Er hatte ihre Tassen herausgebracht, und sie saßen alle drei auf den Stufen und genossen die Wärme der aufgehenden Sonne. Es würde wieder ein wunderschöner Tag werden. In der Nähe der Mühle stritten einige Krähen; blaue Eichelhäher schwatzten; der See hatte die gleiche Farbe wie der Himmel und spiegelte die Mauer immergrüner Bäume am Ostufer in allen dunklen Einzelheiten. Weit entfernt darüber, sehr hoch, kreiste ein Habicht.

„Warum nicht?“, fragte Ken.

„Weil der Kerl nicht so blöd ist, wie er aussieht.“

Ken dachte darüber nach. Vielleicht hatte Art Recht. Da war etwas in Martins Augen gewesen, das nichts mit dem unfähigen Idioten zu tun hatte, den sie erst an der Tankstelle gesehen und später am Rande des Freeways aufgelesen hatten. Jener Mann war schwach gewesen, ein Typ, der immer zögert und aus Unentschlossenheit scheitert. Der Mann jetzt war entschlossen.

Eine Art physischen Vergnügens durchströmte Ken bei dem Gedanken, Martin zu töten. Eine sexuelle Erregung von den Lenden bis zum Rückgrat. Dasselbe Gefühl, wie wenn eine Frau, die er wollte, ihm mit einem gewissen Blick zu verstehen gab, dass auch sie ihn wollte und dass ihr alles recht sei. Es war die Vorfreude auf etwas Verbotenes.

„Mach dir keine Sorgen“, sagte er. „Den kriegen wir.“

Greg lehnte sich zurück, die Ellbogen auf die raue, verwitterte Beplankung der Terrasse gestützt. Er lachte. „Wie findet ihr diese Nancy?“

„Das Beste, was wir jemals hatten“, sagte Art. Er erinnerte sich an Nancys kreischenden nassen Mund und fügte hinzu: „Hundertprozentig.“

Ken dachte über Nancy nach, ihre wilden Laute, ihr heißes, heftig zuckendes Becken, ihre Hände mit den scharf bohrenden Fingernägeln. Aber vor allem erinnerte er sich an die weiche Art, mit der sie begonnen hatte ihn anzusehen. Sie hatte es gewollt, wirklich. „Ich weiß nicht“, überlegte er. „Wie hieß noch die Tussi vor drei Jahren?“

„Die Dunkelhaarige?“

„Ja, die Flachbrüstige.“

„Du meinst Ellen. Die war vor vier Jahren.“

„Vier. Stimmt.“

„Ja, kann sein“, sagte Greg.

Ken versuchte, sich zu erinnern und zu vergleichen. Wenn man älter wurde, konnte man sich nach einiger Zeit kaum noch erinnern, wie die einzelnen Frauen gewesen waren.

„Aber der Typ, der ihr Freund war“, sagte Art, „war anders.“

Ken versuchte, sich auch an den Mann zu erinnern. Einen Moment lang sah er ein undeutliches Gewirr von Gesichtern vor sich, dann zeichnete sich eines von ihnen schärfer und wurde zu einem dicklichen, kahl werdenden jungen Mann mit feuchten blauen Augen und bibbernden Lippen. Er runzelte die Stirn, und als die Grimasse stärker wurde, löste sich das halbe Gesicht in Zeitlupe auf, als in Kens Erinnerung ein Schuss durch den rechten Wangenknochen krachte, in die Nase drang und die ganze linke Seite seines Schädels absprengte.

„Steward“, sagte er.

„Stimmt“, sagte Greg. „Er weigerte sich, abzuhauen.“

„Wir mussten ihn gleich da draußen abknallen“, fügte Art hinzu. „Erinnert ihr euch? Grad da drüben.“ Er zeigte auf einen Punkt der Lichtung.

„Sicher“, sagte Ken. „Erinnere mich genau an ihn. Der blöde Idiot hat sich in die Hosen geschissen.“

Und sogar tot hatte er noch Ärger gemacht.



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