Inspektor Jury spielt Domino by Martha Grimes

Inspektor Jury spielt Domino by Martha Grimes

Autor:Martha Grimes
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: für 6" Reader
Herausgeber: rowohlt
veröffentlicht: 2010-10-18T08:07:54+00:00


18

Wie ein Zugvogel schaffte es Sergeant Wiggins immer, sich in wärmere Regionen zu verziehen; Jury entdeckte ihn hinter einer Kanne Tee in der Nähe des Küchenherds. Ihm gegenüber saß Olive Manning.

Sie strahlte jedoch keine Wärme aus. Die Hand, die sie Jury hinstreckte, war trocken und kühl, und ihr Lächeln war noch kühler. Sie schien sich in ihren Kleidern nicht wohl zu fühlen – als wären sie zusammengepfuscht (was bestimmt nicht der Fall war) oder nicht für sie gemacht. So wie sie dasaß – in ihrem dunklen Kleid, an dessen Gürtel ein Schlüsselbund hing, mit ihren spitzen Ellbogen und Backenknochen und der geraden, scharfgeschnittenen Nase –, schien Olive Manning nur aus Kanten und Winkeln zu bestehen. Auch ihre Stimme klang hart und metallisch. Als sie Jury begrüßt hatte, verschwand auch das pflichtschuldige Lächeln; ihre Züge erstarrten und wirkten steif wie das Portrait auf einer Münze. Ihre Augen hatten die Farbe von angelaufenem Silber; ihre Lippen waren dünn, und auf ihrem dunklen Haar lag ein grauer Schleier wie auf alter Schokolade.

Jury zog sich einen Stuhl heran; als sie ihm jedoch eine Tasse Tee anbot, lehnte er ab. «Mrs. Manning, ich möchte nicht noch einmal alles durchgehen, was Sie schon Sergeant Wiggins erzählt haben. Mich interessiert vor allem, ob Sie die junge Frau für Dillys March gehalten haben.»

Sehr bestimmt schüttelte sie den Kopf. «Nein, eindeutig nicht.»

«Wie konnten Sie sich so sicher sein, wo für Sir Titus überhaupt kein Zweifel bestand, daß sein Mündel zurückgekehrt war?» Olive Manning schien sich jedoch immer sicher zu sein, was ihre Gedanken und Gefühle betraf.

Sie lächelte. «In diesem Fall war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens, Inspektor Jury. Julian Crael war übrigens ganz meiner Meinung, wie Sie wohl wissen.» Jury nickte. «Auf den ersten Blick sahen sie sich natürlich sehr ähnlich.»

«Nicht nur auf den ersten Blick. Nach den Fotos zu urteilen, die ich von Dillys March gesehen habe, hätte Gemma Temple ihre Doppelgängerin sein können.»

«Das stimmt schon. Nur sind diese Fotos von Dillys fünfzehn Jahre alt. Und es ist nicht nur das Aussehen. Es gibt auch noch andere Dinge, zum Beispiel, wie jemand sich bewegt, spricht –»

«Nicht gerade aus einem guten Stall?»

«So könnte man es ausdrücken. Ich fand sie ziemlich vulgär. Eine gute Kinderstube läßt sich schließlich nicht verleugnen.»

«Könnte sie in den fünfzehn Jahren nicht auch einiges vergessen haben?» Sie schwieg. «Wie ich gehört habe, Mrs. Manning, ist Ihr Sohn in einer Anstalt?»

Die kalten, stahlgrauen Augen luden sich auf; aber alles, was sie sagte, war: «Ja.»

«Und Sie glauben, Dillys March hat ihn soweit gebracht?»

Ihr Gesicht, ihre ganze Haltung wirkten wild entschlossen. Aber sie drehte nur an ihren Ringen, als wolle sie ihre Finger davon abhalten, sich um seinen Hals zu legen. «Sie kennen doch schon den ganzen Klatsch, Inspektor, was wollen Sie denn noch von mir hören?»

«Es gibt einiges, worüber wir sprechen könnten, wenn das wirklich nur Klatsch ist. Was ist zwischen Dillys und Ihrem Sohn vorgefallen?»

«Solange Leo hier gelebt hat – ein Jahr war das, er arbeitete als Fahrer für den Colonel –, war das Mädchen hinter ihm her.



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