Inflation!: Kriminalroman aus dem Berlin der Weimarer Zeit (German Edition) by Gunnar Kunz

Inflation!: Kriminalroman aus dem Berlin der Weimarer Zeit (German Edition) by Gunnar Kunz

Autor:Gunnar Kunz [Kunz, Gunnar]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Krimi
Herausgeber: Sutton Verlag
veröffentlicht: 2010-12-31T23:00:00+00:00


13

Es herrschte eine explosive Stimmung in der Stadt, Misstrauen und Gereiztheit überall. Nach dem gestrigen Gespräch mit Hedwig Weber hatte Diana beschlossen, bei Horst Quandt lieber indirekt vorzugehen. Der ehemalige Geschäftspartner des Toten war anscheinend kein umgänglicher Zeitgenosse, und wenn sie sich ihm zu erkennen gab, glaubte er womöglich noch, sie spioniere für die Franzosen. Besser, sie fand erst einmal heraus, wie er den Tag verbrachte und mit wem er sich traf. Vielleicht entdeckte sie auf diese Weise einen Anknüpfungspunkt, über den sie sich ihm unverdächtig nähern konnte.

Früh am Morgen stand sie auf – allzu früh, was ihre Laune nicht gerade hob – und bezog vor dem Haus, in dem Horst Quandt wohnte, Posten. Sie hatte verschiedene Möglichkeiten durchgespielt, wie sie herausfinden konnte, ob er überhaupt daheim war: Erkundigungen bei Nachbarn, ein Anruf als Postangestellte, die ein Paket zustellen wolle –, aber sie hätte sich keine Gedanken machen müssen. Hinter den Fenstern seiner Wohnung brannte Licht. Sie überprüfte es, indem sie ins Haus schlich und die richtige Tür ausfindig machte. Eindeutig seine Wohnung. Und im Inneren rumorte es. Diana verließ das Gebäude, stellte sich in einen Hauseingang und wartete.

Für ihre Aufgabe hatte sie sich dezent angezogen: Sportbluse, sackartiger Rock mit tief hängender Taille, abgetragene Schuhe aus Lackleder mit Perlenschnallen. Auf den Rembrandthut mit Paradiesreihern hatte sie schweren Herzens verzichtet, dafür eine taschenbesetzte Jacke mitgenommen, weil es für die Jahreszeit empfindlich kalt war.

Mit der Zeit belebte sich die Straße. Dienstmädchen erledigten Besorgungen, Chauffeure kutschierten Herrschaften durch die Stadt, Ladenbesitzer öffneten ihre Läden. Drüben, vor der Edelmetall-Ankaufstelle bildete sich eine Gold- und Silberpolonäse, wie der Galgenhumor des Volksmunds es nannte: Frauen, die Löffel, Schmuck oder sogar Eheringe versetzen mussten, während ihre Männer für einen Lohn schufteten, der hinten und vorn nicht reichte. An der Mauer daneben waren über Nacht wieder Plakate gegen die Besatzer angebracht worden; der eine oder andere Passant blieb stehen und las den Aufruf, aber die meisten gingen achtlos vorüber. Sie hatten schon zu viele solcher Plakate gesehen.

Endlich erlosch das Licht hinter Horst Quandts Fenstern, und nach kurzer Zeit kam ein Mann aus dem Haus. Frau Weber hatte recht: Ein solcher Gamsbart war nicht zu verwechseln.

Diana folgte dem Mann durch die Straßen von Essen. Soldaten kamen ihnen entgegen und rissen mit ihren Bajonetten provozierende Plakate ab. Andere taten beschäftigt, um den Menschen nicht in die Augen sehen zu müssen. Immer wieder waren die Passanten gezwungen, sich an die Hauswände zu drücken, um französische Lastwagen, Kavallerie oder einen Panzer durchzulassen. Vor dem französischen Hauptquartier demonstrierte eine Handvoll Leute. Mit erhobenen Fäusten sangen sie das Deutschlandlied von Hoffmann von Fallersleben, das Ebert im letzten Jahr zur Nationalhymne erklärt hatte.

Am Hauptpostamt hatte Horst Quandt einen Zusammenstoß mit einem französischen Soldaten, der ihm barsch befahl, vom Bürgersteig herunterzutreten, um einen Offizier durchzulassen.

»Gehen Sie doch selbst auf die Straße«, erwiderte er. »Ein deutscher Ehrenmann macht keinem französischen Schweinehund Platz.«

Der Offizier, der die Worte anscheinend verstanden hatte, griff wutentbrannt nach seiner Reitpeitsche. Horst Quandt entriss sie ihm, zog sie ihm quer über das Gesicht und tauchte in der applaudierenden Menge unter, ehe der begleitende Soldat reagieren konnte.



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