In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) by Picoult Jodi

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) by Picoult Jodi

Autor:Picoult, Jodi [Picoult, Jodi]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492959834
Herausgeber: Piper (com)
veröffentlicht: 2012-08-12T22:00:00+00:00


12

Wie kommt es, daß man nur am Anfang einer Beziehung spürt, wieviel Wärme von einer Person ausstrahlt und wie viele Zentimeter man sich bewegen müßte, damit man wie zufällig ihre Schulter berührt?

Cam blickte stur auf die Straße. Komisch, mit Allie konnte er vierzigmal am Tag zusammenrumpeln – vor dem Kühlschrank oder am Waschbecken im Bad –, und doch war er sich nie ihrer Nähe bewußt, hatte nie das Gefühl, seine Nerven würden sich ein winziges bißchen nach ihr ausstrecken. Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, ob er jemals neben Allie im Auto gesessen und sich überlegt hatte, wie er am geschicktesten sein Bein gegen ihres drückte und das dann auf die Frostbeulen im Asphalt schob.

Allerdings saß Mia ohnehin so dicht neben ihm, daß er die Wolle ihres Pullovers riechen konnte. Vor der roten Ampel sah er aus dem Augenwinkel den Puls hinter ihrem linken Ohr schlagen.

Seit er Allie an der Kirche abgeholt und Mia an ihrer Seite gefunden hatte, brachte er kaum ein Wort heraus. Ihm war fast das Herz stehengeblieben vor Schreck, sie über ein Körbchen mit weißen Gänseblümchen gebeugt zu sehen, das Haar auf dem Kopf zusammengerollt und mit einem strategisch hindurchgesteckten Stift aufgespießt. Cam war im Mittelgang stehengeblieben und spürte etwas in sich anwachsen, bei dem es sich möglicherweise um schlichte Erleichterung handelte – das er aber wie eine Hitzewelle, wie eine explodierende Hoffnung empfand.

»Hey«, war es aus ihm herausgeplatzt. »Du bist wieder da. Wie geht's deiner Tante?« Die Worte waren schon auf den weißen Läufer gepurzelt, den man für die Braut ausgerollt hatte, ehe ihm auffiel, daß er sich eben ein Detail ausgedacht hatte, das er eigentlich gar nicht wissen durfte.

Allie war damit beschäftigt gewesen, ihren Blumendraht und die Schweizer Taschenmesser wieder in der kleinen roten Werkzeugkiste zu verstauen, die sie zum Transport verwendete. Ihre rauhen und grünfleckigen Hände fummelten an dem Schloß der Kiste herum. »Woher weißt du, daß sie bei ihrer Tante war?« fragte sie, dann stand sie auf und gab ihm einen Kuß auf die Wange.

Nur weil es so von ihm erwartet wurde, schlang er seinen Arm um Allies Taille. »Da sind doch immer irgendwelche Tanten im Spiel«, improvisierte er und sah Mia hilfesuchend an.

»Es geht ihr gut«, antwortete Mia und warf ihm dabei mit den Augen den Lügenfaden zurück, wohl wissend, daß sich in Windeseile ein Netz daraus spinnen würde, groß wie das eines Krabbenfischers und ebenso verfänglich.

Allies Wagen war wegen eines kaputten Rücklichts in der Werkstatt, weshalb Cam sie zur Kirche gefahren hatte und sie und Mia nun zurück zum Blumenladen brachte. Aber er hatte den Zivilstreifenwagen nehmen müssen, dessen Kofferraum voll war mit Schachteln von Flugblättern und T-Shirts und Baseballkappen für ihre Anti-Drogen-Kampagne an den Schulen. Was bedeutete, daß sie die restlichen Blumenkörbe und Arbeitsmittel auf den Rücksitz luden, während er mit Allie und Mia vorne saß.

Mia gab sich redliche Mühe, auf Allies Hälfte der Vorderbank zu bleiben – Cam hatte keine Ahnung, wie sie überhaupt in der Mitte gelandet war –, aber ab und zu wurde sie durch eine Unebenheit auf der Straße gegen ihn geschleudert.



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