In der Brandung by Carofiglio Gianrico

In der Brandung by Carofiglio Gianrico

Autor:Carofiglio, Gianrico [Carofiglio, Gianrico]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-05-19T16:00:00+00:00


17

Als der Moment gekommen war, den Cabernet zu trinken, den sie bestellt und sich eingeschenkt hatten, zögerte Roberto. Sie merkte es.

»Du trinkst doch Alkohol, oder? Doch, du hast ja auch einen Spritz bestellt vorhin.«

»Es ist nur so, dass ich immer noch Medikamente nehme, die sich schlecht mit Alkohol vertragen. Und jetzt habe ich schon etwas getrunken … Aber eigentlich ist das kein Problem, ich trinke den Wein und nehme dafür heute keine Medikamente. Der Doktor meinte, das könnte ich von Zeit zu Zeit tun. Auch wenn ich es bisher noch nie getan habe und mich die Sache ein wenig beunruhigt. Aber schlimmstenfalls schlafe ich heute Nacht eben nicht.«

»Du nimmst immer noch Tabletten? Wie lange gehst du denn schon zum Doktor?«

»Seit …« Schon wieder dieses unangenehme Gefühl, die zeitlichen Koordinaten nicht zu finden. Seit wann ging er denn zum Doktor? Er fischte im Trüben, wie vorher, als er sich erinnern wollte, in welchem Jahr seine Mutter gestorben war.

Gleich nach dem Sommer hatte er mit den Sitzungen angefangen.

Ja, es war im September gewesen. Jetzt war April, somit waren es mehr oder weniger sieben Monate.

»Ungefähr sieben Monate.«

Und welcher Tag war heute? Montag, klar, denn er war beim Doktor gewesen und hätte dort Emma treffen müssen, die jedoch nicht hingegangen war. Er hatte das Gefühl, dass seit dem Zeitpunkt, als er die Wohnung verlassen hatte, um zu seiner Sitzung zu gehen, nicht nur ein paar Stunden, sondern Tage vergangen waren, und zwar gleich mehrere. Dieses Gefühl war so stark, dass Roberto sich fragte, ob nicht wirklich ein paar Tage vergangen waren und er sich irrte, weil er inzwischen in einer persönlichen Zeitfalle gefangen war. Aber um auf die Frage zurückzukommen, welcher Tag im April war überhaupt heute? Welches Datum?

Da war sie wieder, diese Panik, dieser Eindruck, auf fremdem Terrain herumzuirren. Ein Ort, an dem sich hinter vertrauten, alltäglichen Gegenständen monströse Gestalten verbargen. Gestalten, die auf dich losstürzen und dich auffressen konnten. Es wollte ihm nicht gelingen, das Datum zu rekonstruieren – irgendwas Mitte April –, und er überlegte, ob er auf sein Handy schauen sollte. Zu diesem Zweck würde er es jedoch aus der Hosentasche holen müssen. Das wiederum erschien ihm unhöflich und auch irgendwie feige. Morgen würde er sich einen Kalender kaufen und jeden Tag auf das Datum achten. Und dann würde er nach und nach die Chronologie der vergangenen Monate und schließlich der vergangenen Jahre rekonstruieren.

»Welcher Tag ist heute?«

»Montag, der 18. April. Warum?«

»Ich komme manchmal durcheinander. Und ja, ich nehme verschiedene Medikamente.«

»Ich habe vor ein paar Monaten mit den starken Mitteln aufgehört. Abends nehme ich allerdings immer noch ein paar Tropfen Minias. Der Doktor meint, das sei in Ordnung, denn Schlaf sei wichtig, und ein paar Beruhigungstropfen hätten noch niemandem geschadet.«

Roberto wunderte sich im Stillen über diesen unbeschwerten und fröhlichen Umgang mit dem Thema. Dann hob er das Glas und prostete ihr zu, Emma hob ebenfalls das Glas, und beide tranken. Sie sah ihn an, und er konnte ihren Blick zwar nicht deuten, aber die Sache gefiel ihm.

Alle Gerichte kamen zugleich, Teller und Schüsseln mit Reis, indischem Brot, Tikka-Masala-Huhn, Lamm-Curry, Linsen.



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