In Basel ist die Göttin los (German Edition) by Michèle Sandrin

Autor:Michèle Sandrin [Sandrin, Michèle]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863584306
Herausgeber: Emons, H J
veröffentlicht: 2015-02-22T16:00:00+00:00

ZEHN

Matteo starrte auf den Teppich. Er hatte lange geredet, was ihn an diesem frühen Dienstagmorgen einige Mühe gekostet hatte. Nicht die Quantität, die Qualität. Eigentlich hätte er sich lieber den Mund mit Seife eingerieben, als so viel über sich preiszugeben. Aber eben, irgendwann war einfach Ende Feuer, irgendwann wollte er nicht mehr von einer Kopfschmerzattacke zur nächsten Langeweile schleichen. Obwohl. Er musste sich eingestehen, dass die letzten Tage schmerzfrei und ganz und gar nicht langweilig gewesen waren. Eben. Es muss das Wetter sein, sagte er sich, die Hitze, das Licht, die mich dazu treiben, Hoffnungen zu entwickeln. Ich fühle mich zu Hause, und gerade deshalb will ich nach Hause. Ich schwafle sinnlos drauflos, das muss dieser Ort sein.

Sein Gegenüber schwieg – sehr laut, befand Matteo unmutig. Aber er würde nicht drängen, nicht bitten, er würde rein gar nichts tun. Um nicht in Versuchung zu kommen, tauchte er in die Muster des Persers ein. Verschlungene Wege, keine Ausgänge, abgeschlossene Räume, in ihrer bunten Tradition festgezurrt. Lange halte ich die Ablenkung nicht mehr durch, verzweifelte er vor sich hin. Der soll doch endlich mal was sagen. Wofür bezahle ich den bärtigen Schweiger eigentlich. Als ob er sein Stichwort endlich erhalten hätte, hob der Bärtige an zu sprechen: «Ähem, mhm», begann er gewichtig, um gleich wieder bedeutungsvoll vor sich hin zu schweigen. Den Kopf immer noch gesenkt, schielte Matteo nach oben und versuchte diese minimalistischen Kommunikationsbrocken zu interpretieren. Vergebens. Wie ein gestrandeter Fisch glotzte sein Gegenüber jetzt ins Leere. Matteo kämpfte noch mit sich und war schon fast bereit, den Gestrandeten mit irgendwelchen Seelenqualen zu füttern, als dieser sich räusperte und tatsächlich begann, Sätze zu formulieren. «Herr Santoro, wenn ich Sie richtig verstanden habe, bitte korrigieren Sie mich, falls dem nicht so wäre, sind Sie seit über zwanzig Jahren mit einer Frau verheiratet, der sie rein gar nichts vorzuwerfen haben. Sie scheint sehr ausgeglichen zu sein, hat sich immer sehr kompetent um ihre gemeinsamen Kinder gekümmert, die ja auch beide, nach Ihren Aussagen, ganz gut geraten sind. Hinzu kommt, dass sie ausserordentlich attraktiv ist und ohne viel Geld auszugeben ihre physischen Vorzüge auch durch geschmackvolle Kleidung zu unterstreichen weiss. Sie ist nicht nur treu und nörgelt nie an Ihnen rum, obwohl sie, nach Ihren eigenen Angaben, guten Grund dazu hätte. Sie selbst glänzten und glänzen auch heute noch weiter durch viel Abwesenheit, sowohl physisch wie auch psychisch. Auch den Haushalt erledigt sie kompetent, ohne Sie je einbinden zu wollen, ihre Kochkünste sind überdurchschnittlich, ihr Apfelkuchen legendär. Sie will, im Gegensatz zu vielen Frauen heute, nie wissen, was Sie gerade denken. Sie will Sie nicht umerziehen. Ihre sexuellen Avancen weist Sie nie zurück, und trotzdem haben sich diese in den letzten Monaten bis zur völligen Auflösung verringert. Sie geben zu, dass diese Frau vor zwanzig Jahren ihrem Idealbild der absoluten weiblichen Perfektion entsprach – einen Augenblick, ich schaue in meinen Notizen nach.»

Jetzt nuuscht er auch noch in seinen Unterlagen herum, um meine Aussage zu untermauern, murrte Matteo in sich hinein. Er starrte nach einem kurzen Blick auf den Suchenden wieder auf den Teppich, der ihm immer weniger gefiel.

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