Im Schatten des Wolfes by Lois McMaster Bujold

Im Schatten des Wolfes by Lois McMaster Bujold

Autor:Lois McMaster Bujold [Bujold, Lois McMaster]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Chalion 3
veröffentlicht: 2013-09-22T04:00:00+00:00


Kapitel Vierzehn

Als Ingrey dort ankam, war der Tempelvorplatz bereits überfüllt von Trauergästen: solchen, die bei Hofe eine Rolle spielten, und solchen, die dort gerne eine Rolle gespielt hätten. Er konnte einige von Gescas Männern an den Rändern der Menge ausmachen, was darauf schließen ließ, dass Lord Hetwar sich bereits im Tempel aufhielt. Ingrey beschleunigte seine Schritte und bahnte sich mit den Schultern einen Weg durch das Treiben. Diejenigen, die ihn erkannten, gingen ihm eilig aus dem Weg.

Der Himmel war von einem klaren, herbstlichen Blau, und Ingrey ließ erleichtert die Schultern sinken, als er aus der Sonne in den Schatten des säulengetragenen Vordaches trat. Sein bestes Hofgewand war schwer und ein wenig zu warm, und der düstere, ärmellose Mantel wirbelte um die Knöchel und verfing sich immer wieder am Schwertgehänge. Die hellen Strahlen fielen auch in den offenen Innenhof, wo das heilige Herdfeuer hoch auf seinem Sockel brannte. Ingrey blinzelte, um seine Augen vom Hellen ins Dunkel und wieder ins Helle anzupassen.

Er erspähte Lady Hetwar, in Begleitung von Gesca und Hetwars ältestem Sohn. Ingrey trat zu ihr hin und verbeugte sich. Sie bedachte ihn mit einem grüßenden Nicken und einem wohlgefälligem Blick auf seine Kleidung. Dann rückte sie ein wenig beiseite, sodass er als Gefolgsmann den ihm gebührenden Platz neben Gesca einnehmen konnte. Gesca bedachte ihn mit einem beunruhigten Seitenblick, ließ aber keine weiteren verräterischen Regungen erkennen, die auf ihr letztes, angespanntes Zusammentreffen hindeuteten. Ingrey machte sich Hoffnungen, dass Gesca den unheimlichen Zwischenfall für sich behalten hatte.

Auf der anderen Seite des Sockels erspähte Ingrey den Ritter Ulkra sowie einige weitere von Prinz Bolesos höher gestellten Gefolgsleuten. Gut – der verbannte Haushalt war also wie befohlen in Ostheim eingetroffen. Ulkra nickte Ingrey höflich grüßend zu, doch die meisten Gefolgsleute, die mit ihm den Wagen des Prinzen begleitet hatten, wichen seinem Blick aus – ob sie sich nun seiner Verachtung bewusst waren oder ob seine Anwesenheit sie beunruhigte, vermochte Ingrey nicht zu sagen.

In einem Durchgang begann ein Tempelchor zu singen. Der Widerhall ließ die reinen, harmonischen Stimmen angemessen entrückt und klagend klingen. Gemessenen Schrittes traten die singenden Akolythen in den Hof: fünf mal fünf an der Zahl, ein Quintett für jeden der Götter, in blauen, grünen, roten, grauen und weißen Roben. Der Erzprälat von Ostheim folgte ihnen würdevoll. Hinter ihm trugen sechs der höchstgestellten Herren die Bahre mit Bolesos Leichnam. Hetwar war unter ihnen, dazu beide Keilerstritt-Brüder und drei weitere Kurgrafen.

Ingrey ging davon aus, dass Bolesos Leiche unter den parfümierten, edlen Gewändern noch fest mit mehreren Lagen kräutergefüllter Bandagen umwickelt war, auch wenn sein aufgequollenes Gesicht frei zutage lag. Die Verzögerung bei der Bestattung hatte die Verwesung so weit voranschreiten lassen, dass eigentlich ein geschlossener Sarg vorzuziehen gewesen wäre. Doch der Tod eines so hochgeborenen Prinzen erforderte Zeugen, je mehr, desto besser, damit später nicht Betrüger und Hochstapler das Land in Unruhe versetzen konnten.

Die engsten Angehörigen kamen als Nächstes. Der Fürstmarschall Biast, prachtvoll gekleidet, doch mit müdem Gesicht, wurde von Symark begleitet, der die Standarte des Fürstmarschalls mit sich führte. Der Wimpel war zum Zeichen der Trauer fest um den Schaft gewickelt worden.



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