Im Namen Der Heiligen by Ellis Peters

Im Namen Der Heiligen by Ellis Peters

Autor:Ellis Peters [Peters, Ellis]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 1977-01-02T00:00:00+00:00


7. Kapitel

Nach der Komplet gingen sie alle sechs zu der Holzkapelle im einsamen Friedhof, im sanften Licht der letzten Sonnenstrahlen, die zwischen den jungen Blättern hindurchdrangen. Das erste Pilgerpaar wurde zur Vigilie begleitet.

Und auf der Lichtung vor der Friedhofstür kam ihnen eine andere Prozession aus der Richtung des Waldes entgegen. Acht von Rhisiarts Männern trugen eine Bahre mit ihrem toten Herrn auf den Schultern, angeführt von seiner Tochter, die würdevoll und hoch aufgerichtet vor ihnen schritt, in einem dunklen Kleid, den Kopf von einem grauen Schleier bedeckt, unter dem sie das lange Haar zum Zeichen ihrer Trauer offen trug. Ihr Gesicht war ruhig und gefaßt, ihre Augen schienen in weite Fernen zu schauen. Sie hätte jeden Mann einschüchtern können - sogar einen Prior. Robert blieb unwillkürlich stehen bei ihrem Anblick, und Cadfael war stolz auf sie.

Sioned schreckte nicht vor Robert zurück - im Gegenteil, sie setzte ihren Weg noch entschlossener fort, mit noch energischeren Schritten. Drei Meter vor ihm blieb sie stehen, so ruhig, daß er ihre Haltung als Unterwürfigkeit hätte mißdeuten können, wäre er dumm gewesen. Doch er war nicht dumm. Schweigend musterte er sie - eine Frau, ein junges Mädchen, das gekommen war, um ihn herauszufordern. Aber noch weigerte er sich, sie als ebenbürtige Gegnerin anzuerkennen.

»Bruder Cadfael«, sagte sie, ohne Robert aus den Augen zu lassen, »bitte, erkläre dem verehrten Prior, daß ich eine Bitte an ihn habe, um meines Vaters willen.«

Hinter ihr lag Rhisiart - nicht in einem Sarg, sondern auf einer Bahre aus Zweigen - in weißes Leinen gehüllt, unter dem sich die Umrisse seines Körpers abzeichneten. Und die dunklen geheimnisvollen Augen der Waliser, die ihn trugen, glühten wie kleine Lampen rings um einen Katafalk - gaben nichts preis, sahen alles. Das Mädchen war so jung - wirkte so einsam. Trotz seiner gesicherten Position fühlte sich der Prior unbehaglich, vielleicht war er sogar gerührt. »Sprich deine Bitte aus, meine Tochter«, forderte er sie auf.

»Ich habe gehört, daß ihr drei Nächte lang in dieser Kapelle wachen und zur heiligen Winifred beten wollt, bevor ihr sie nach Shrewsbury bringt. Und nun bitte ich euch, mir einen Wunsch zu erfüllen, dem Seelenheil meines Vaters zuliebe, der euch gekränkt hat, was nie in seiner Absicht lag. Erlaubt mir, die Bahre mit seinen sterblichen Überresten für drei Nächte vor den Altar zu stellen und ihn der Obhut derer anzuvertrauen, die hier wachen werden. Und ich ersuche sie, in jeder dieser Nächte auch ein Gebet für seine Seele zu sprechen - nur ein einziges Gebet, in einer langen Nacht. Ist das zuviel verlangt?«

»Dein Wunsch ist recht und billig - der Wunsch einer getreuen Tochter«, erwiderte der Prior. Immerhin entstammte er einer vornehmen Familie, wußte die Bedeutung von Blutsbanden zu schätzen, und deshalb war es keineswegs Heuchelei, die ihn zu dieser Antwort bewog.

»Ich hoffe auf ein Zeichen der Gnade«, sagte Sioned.

»Und da du meine Bitte nicht abschlägst, hoffe ich um so zuversichtlicher.«

Robert bezweifelte nicht, daß ihre Bitte ihm noch größeren Ruhm einbringen würde. Die Erbin seines Gegners und dessen einziges Kind kam zu ihm und legte das Seelenheil ihres Vaters in seine Hände.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.