Ich trug ein grünes Kleid, der Rest war Schicksal by Bucher Gina

Ich trug ein grünes Kleid, der Rest war Schicksal by Bucher Gina

Autor:Bucher, Gina [Bucher, Gina]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2016-03-16T16:00:00+00:00


Wenn da jemand ist, der dich liebt, ist auch das Älterwerden nicht so tragisch

Franz Freuler, 70 Jahre

Franz Freuler ist ein Mann, der mit festen Schritten in die verabredete Cafeteria kommt, sich eilig den Regen aus dem Mantel schüttelt, seine Geschichte geradlinig erzählt und sich lachend wieder verabschiedet, weil er weiter zu einem Aperitif muss.

Ich hatte mir immer vorgestellt, dass ich spätestens bis dreißig einen festen Partner habe, mit dem ich den Rest des Lebens verbringen möchte. Genau das passierte am 23. Dezember 1974, da war ich exakt dreißig Jahre alt. Und jetzt feiern wir nächste Woche unser vierzigjähriges Jubiläum. Das war buchstäblich ein Weihnachtsgeschenk, jawohl!

Kennengelernt haben wir uns in einer Bar am Zürcher Stadthausquai, wo er als Barman arbeitete. Wir sahen uns an, sprachen aber nicht viel, wechselten nur ein paar Worte. Als die meisten der Barbesucher nach Hause gegangen waren, kamen wir schließlich miteinander ins Gespräch. Bis spät saßen wir zusammen an der Bar, das war toll. Am nächsten Abend, das war Heiligabend, sollte ich zu meinen Eltern nach Schmerikon. Also verabredeten wir uns für den 25. Dezember, dieses Mal in einer anderen Bar. Dort funkte es. Bereits am nächsten Tag nahm er mich zum Weihnachtsessen seiner Familie am Bieler See mit. Das geschah alles ganz spontan: Wir kannten uns ja überhaupt nicht! Doch dass wir zusammengehören, das war sofort klar. Seine Familie hatte damit kein Problem. Nur der Großvater brummelte etwas, weil wir zu spät zum Essen kamen. So hat das angefangen.

Verliebt hatte ich mich in ihn wegen seiner Ausstrahlung. Diese sympathische Art, die er hat – und natürlich das Aussehen. Er ist acht Jahre jünger als ich. Tja, warum verliebt man sich? So genau kann ich das nicht sagen. Es ist die Anziehung zu einem anderen Menschen, die plötzlich dieses Kribbeln im Bauch auslöst. Uns erging es beiden genau gleich. Das ist kitschig. Aber genauso war das. Ich habe mich später noch oft gefragt, ob das wirklich so war. Aber doch, genau so war es. Übrigens zog er nur wenige Tage später, noch vor Ende jenes Jahres zu mir, in meine Wohnung am Greifensee.

Dass wir als zwei Männer zusammenwohnen, war nie ein Problem. Auch wenn es noch in den Sechzigerjahren teils recht schwer war, schwul zu sein. In den Fünfzigerjahren war es eine lockere Sache, in der Schweiz gab es ja keinen Strafartikel wie in Deutschland. Doch um 1960 gab es in Zürich Morde im Homosexuellenmilieu, die dieser gelockerten Stimmung ein Ende setzten. Alle Köpfe drehten sich, wenn man in eine Bar reinkam. Ich arbeitete damals als Zivilschutzinstruktor in der Stadtverwaltung. Natürlich hoffte ich ständig, dass ich nicht in eine Razzia geriet. Wenn mein Chef etwas erfahren hätte – das wäre nicht gut gewesen. Ich verheimlichte nie, dass ich schwul bin. Doch man muss sich ja auch kein Plakat an den Rücken hängen. Wurde ich eingeladen und gebeten, Begleitung mitzubringen, brachte ich immer meinen Freund mit. Wenn man offen und umgänglich ist, dann ist es eigentlich auch nie ein Problem. Nur einmal glaubte ein Chef, ich würde an seinem Stuhlbein sägen.



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