Hexenfeuer by Frank Goyke

Hexenfeuer by Frank Goyke

Autor:Frank Goyke
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-02-17T23:00:00+00:00


Eusebius seufzte und nahm die Beine in die Hand. Es war nicht so sehr die Angst, die ihn forttrieb, denn wenn der Armbrustschütze noch in der Nähe gewesen wäre, hätte er dem Mönch längst den Garaus gemacht. Eusebius hatte ein schlechtes Gewissen. Er hatte den Henker dazu überredet, sich mit ihm zu treffen. Das Treffen hatte Meister Hans nicht überlebt.

Begleitet von weiteren Schreien des brünstigen Katers lief Eusebius vom Friedhof, rannte zum inneren Albanitor und hetzte die Rote Straße entlang bis vor Springintguts Haus. Niemand begegnete ihm, nicht einmal die Nachtwache. Mit beiden Fäusten trommelte der Dominikaner gegen das Tor. Die Kirchenglocken verkündeten Mitternacht.

Eusebius trommelte und trommelte. Er fürchtete schon, dass alle in tiefem Schlaf lagen und ihn niemand hörte, als endlich der Riegel zurückgeschoben wurde. Einer der Torflügel wurde ein Stück geöffnet, und das verschlafene Gesicht des Knechts erschien. Er hielt eine Laterne in der Hand, betrachtete Eusebius wie einen Fremden, von dem Gefahr ausgehen konnte, aber dann erkannte er offenbar den Gast seines Herrn, denn er öffnete das Tor so weit, dass der Mönch hineinschlüpfen konnte.

»Man spürt den Wonnemond«, sagte er mit saurer Miene. »Alles treibt sich in den Gassen herum und mag nicht nach Hause gehen.«

»Ich treibe mich nicht herum wie ein Jüngling, den der Hafer sticht«, sagte Eusebius. »Außerdem siehst du ja, dass ich nach Hause gekommen bin.«

»Wie Ihr meint.« Der Knecht verriegelte das Tor.

»Wer ist denn noch außer Haus?«, fragte Eusebius, der die Worte des Knechts erst jetzt richtig begriff; noch immer saß ihm die Angst im Nacken.

»Euer Reisebegleiter.« Der Knecht gähnte herzhaft. »Und der Hausherr.«

Eusebius entgegnete nichts. Springintgut konnte tun und lassen, was er wollte, aber dass Johannes das Haus verlassen hatte und noch nicht zurückgekehrt war, versetzte Eusebius in Wut, aber auch in Sorge. Ein Klosterbruder hatte nicht nachts durch die Gassen zu schleichen, und ein so junger gleich gar nicht. Eusebius wusste, dass sein Urteil ungerecht war, schließlich hatte auch er sich nicht an diese Regel gehalten. Aber er hatte schließlich etwas Wichtiges vorgehabt. Bei Johannes konnte er sich das nicht vorstellen. Eusebius fragte sich, was den Jungen veranlasst haben mochte, von seiner geliebten Lektüre abzusehen. Womöglich hatte der Bedienstete Recht, und im Wonnemond stach der Hafer auch den jungen Ordensbruder. Ihr Aufenthalt in Göttingen würde noch in einem schrecklichen Desaster enden.

»Aber der Proconsul ist doch wohl da?«, wollte er wissen.

»Er ist sogar noch auf«, antwortete der Knecht, während er ein Gähnen nur halbherzig unterdrückte. Offensichtlich wollte er so rasch wie möglich wieder ins Bett, um dort der nächsten Störung der Nachtruhe entgegenzudämmern. »In der guten Stube geht er seit Stunden auf und ab.«

»Dann werde ich ihm Gesellschaft leisten.« Eusebius ging zur Treppe und erklomm sie mit schwerem Schritt. Sein Rücken und seine Beine schmerzten. Er war einfach zu alt, um, von Todesfurcht getrieben, durch nächtliche Straßen zu hetzen. Er war auch zu alt, um nach Trient zu reisen. Sein Platz war im Paulikonvent zu Hildesheim, wo er einen stillen Lebensabend verbringen wollte. Aber daraus würde wohl nie etwas werden. Nie und nimmer.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.