Hermann Mauser - 02 - Kettenacker by Rainer Gross

Hermann Mauser - 02 - Kettenacker by Rainer Gross

Autor:Rainer Gross [Gross, Rainer]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2014-05-07T22:00:00+00:00


11

Das mit Fidel Mauser hat Greving sich schon gedacht. Er hat Doktor Haselberger vom Zentrum für Psychiatrie in Zwiefalten mitgenommen, der hat ihn untersucht und gemeint, dass Greving sein Glück versuchen könne, der Patient sei so weit stabil, aber viel werde nicht dabei herauskommen. Zu Kyrieleis sagte Fidel nichts, und auf die Frage, ob er was von der Hetze gegen seinen Vater, vom Heuberg und dem allem noch wisse, wollte er seinen Tee haben und kannte dann die beiden Herren, die zu Besuch waren, nicht mehr. Immerhin – und das war ungeheures Glück – kramte er unter seinem Bett eine Schachtel hervor, in der er Andenken aufbewahrte. Haselberger brachte ihn darauf und verwickelte ihn in ein Gespräch über seine Kindheit. Fidel zeigte seine Schätze her, Zigarettenbildchen und Kronenkorken vom Bären-Bräu, als der noch selber braute, davon wusste er eine Menge zu erzählen, einen Dachszahn, den er gefunden hatte, allerlei Krimskrams, der sich auch später erst angesammelt haben könnte, und dazwischen einige Mädchensachen: einen Haarreif aus Blech, ein Armband mit Holzperlen, das habe er selbst gemacht, sagte er, und für wen hast du das gemacht, fragte Doktor Haselberger, ha, für mein Leisle. Da waren sie beim Thema. Und tatsächlich fanden sie einen Haarzopf, blond, der war nicht von ihm. Er bestätigte zwar nicht eindeutig, dass er von seiner Schwester war, aber es lag ja nahe. Greving musterte ihn eingehend, ließ ihn einmal fallen und stahl sich ein Haar aus dem geflochteten, mit Schnur zusammengehaltenen Zopf.

Nach dem Gespräch ist Fidel ganz aufgeräumt und erzählt seiner Schwiegertochter lang und breit von Jugendstreichen. Die HJ oder Kyrieleis oder auch nur Onkel Heinz kommen nicht darin vor.

Greving unterhält sich unten in der Stube mit Georg. Der ist bass erstaunt, als er von der Hetze gegen seinen Großvater hört und von dem Verdacht der Pädophilie und des Spiritismus. Wenn ich das gewusst hätte, sagt er wütend, dann wäre ich aus Kettenacker weggezogen. So ein Drecksnest!

Das ehrt ihn, denkt Greving, aber heutzutage leben hier andere Menschen.

Fidel hat ihm also auch nichts über das Verschwinden des Mädchens sagen können. Mit dem Haar in einer Plastiktüte verabschiedet sich Greving von Doktor Haselberger und fährt nach Gammertingen zum Pfarrer. Wird Zeit, dass er den einmal persönlich kennenlernt.

In Gammertingen geht es zum Bahnhof, sein Navigator lotst ihn direkt zur Kirche, das Pfarrhaus liegt etwas weiter die Straße hinunter, hinter Bäumen versteckt, die jetzt kahl sind. Auf dem Pausenhof der Grundschule lärmen Kinder. Die Kirche ist ein schmucker, weiß verputzter Bau mit der Zähnung der Ecksteine und einem Dachreiter mit Zwiebelhelm. Sankt Leodegar. Wer war das nun wieder?

Im Vorzimmer sitzt eine fröhliche, rundgesichtige Dame und begrüßt ihn herzlich. Der Herr Pfarrer warte schon. Wenigstens sind die Zeiten vorbei, in denen man Hochwürden sagte, und auch der Geistliche ist nicht in Soutane oder wie das heißt, sondern in einem schlichten Hemd mit Plastikkragen und einer dunklen Hose.

Er ist überraschend jung. Fester Händedruck, offener Blick, ich glaub, der weiß seine Schäfchen zu führen.

So ein Quatsch, denkt Greving. Im Zeitalter des Säkularismus und der Kirchenreform ist so ein Pfarrer eher Dienstleister als Gemeindehaupt.



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