Heitere Erinnerungen by Julius Stettenheim

Heitere Erinnerungen by Julius Stettenheim

Autor:Julius Stettenheim
Format: epub
Tags: memoirs
Herausgeber: S. Fischer


164 XII.

Der Zeichner der Wespen von der ersten Nummer derselben an war Gustav Heil, und er ist ihr einziger bis vor einigen Jahren, bis zu seiner bedauerlichen Erkrankung, geblieben. Da mußte er zu meinem und aller Freunde seines eminenten Talentes innigen Bedauern seine geniale, unermüdliche, originelle und von keinem seiner Fachgenossen auch nur annähernd erreichte Thätigkeit einstellen, und das tückische Leiden, das ihn überfiel, wird ihn leider verhindern, trotz der sorgsamsten Pflege, mit der ihn seine vortreffliche Gattin umgiebt, jemals wieder die Arbeit aufzunehmen, der er sich mit seinem sieghaften Witz und glänzenden Können gewidmet hatte.

Gustav Heil ist geborener Berliner. Wir waren schon in den fünfziger Jahren, also lange vor meiner Uebersiedelung, gute Bekannte gewesen, wir wurden gute Freunde, als wir uns für die Wespen vereinigten. Er war nach eifrigen Vorstudien Genremaler geworden, wandte sich aber allmälig dem 165 Karikaturenzeichnen zu, für welche Kunst er durch seine unverwüstliche Laune, seine Begabung, Allem eine komische Seite abzugewinnen, seinen sprudelnden Witz und seinen Schatz von komischen Einfällen prädestinirt erschien. Es war mir stets ein Vergnügen, mit ihm zu arbeiten. Allwöchentlich kamen wir an einem bestimmten Tage in seiner Wohnung in der Ritterstraße zusammen und besprachen die Illustrationen für die nächste Wespennummer. Das war rasch geschehen. Ich machte ihn auf die politischen Ereignisse aufmerksam, welche ein allgemeines Interesse in Anspruch nahmen, oder zu nehmen schienen, und er fand dann flink die parodirende oder travestirende Gestaltung derselben auf, die er auch sofort – er legte während unserer Unterhaltung den Faberstift nicht aus der Hand – skizzirte. Der redaktionellen Pflicht war, wie gesagt, rasch genügt, und dann plauderten wir wenigstens noch eine Stunde. Während dieser Zeit wußte er so viel Komisches zu erzählen und dieses mit so graziöser und unerschöpflicher Laune vorzutragen, daß ich mich gewaltsam losreißen mußte, damit nur nicht der ganze Vormittag für die Arbeit verloren ging. Heil zeichnete mit einer geradezu erstaunlichen Raschheit, wie ich solche bei keinem seiner Kollegen wiedergefunden habe, und die seiner Sicherheit keinen Abbruch that. Er fertigte eine flüchtige Skizze an, und dann zeichnete er das Bild mit 166 verblüffender Fixigkeit auf die Holzplatte, die für den Xylographen bestimmt war. Und das ging in gleich flotter Frische bis über das Jahr 1886 hinaus, und dann wurde das Uhrwerk seines sonst so solide eingerichteten Daseins schadhaft, und der geistvolle und fröhliche Künstler wurde zur Unthätigkeit verurtheilt. Seit dieser Zeit weiß ich, daß seine Kraft eine unersetzliche ist. Ich brauchte Heil nur anzudeuten, was ich mir als Illustration dachte, und alsbald gestaltete er die Idee, und meist inhaltreicher, als sie mir vorgeschwebt hatte. Als ich ihm eines Tages mittheilte, daß ich für die Wespen den Kriegscorrespondenten Wippchen schriebe, und ihn bat, die Figur eines solchen, der über den russisch-türkischen Krieg, fern vom Schauplatz desselben, berichtete, zu zeichnen, war nach kaum zehn Minuten die Type geschaffen, welche seitdem so populär geworden ist, garnicht mehr anders gedacht werden kann und uns Beide überleben wird.

Heil war auch ein origineller Schriftsteller, wie er ein origineller Zeichner war. Seine später zu einem Bande vereinigten Kritiken der Kunstausstellungen waren bei aller Sachkenntniß das Witzigste, das auf diesem Gebiet existirte.



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