Happy End by Joachim Lottmann

Happy End by Joachim Lottmann

Autor:Joachim Lottmann [Lottmann, Joachim]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haffmans Tolkemitt
veröffentlicht: 2017-03-08T16:00:00+00:00


Soweit meine Reportage. Ich schickte sie Sibylle. Nachdem ich einige Zeit nichts von ihr gehört hatte, ahnte ich, daß etwas schiefgelaufen war. Wochenlang herrschte Schweigen. Ich schrieb ab und zu eine nette Mail, wie man das eben so macht, wenn man eigentlich deprimiert ist, aber seine Interessen vertreten muß.

Monate später nahm Sibylle den Kontakt wieder auf, aber nur sporadisch und ein bißchen. Meinen Text erwähnte sie nie. Bis heute hat sie ihn nicht erwähnt. Sie muß ihn entsetzlich gefunden haben. Wir einigten uns stillschweigend darauf, nie mehr davon anzufangen. Statt dessen befaßten wir uns mit dem nächsten, noch viel größeren Projekt. Ich sollte in die Schweiz ziehen, dort meinen neuen Roman schreiben und den in einem neuen Verlag herausbringen. Ich liebte zwar meinen alten Verlag, aber offenbar hatte Sibylle andere, bessere, gloriosere Pläne mit mir, und ich war bereit, mich überraschen zu lassen. Wie dieses tolle Superprojekt ausgegangen ist, wissen wir ja schon. Ich darf also eine Pause machen und mich wieder meinem Wiener Alltag zuwenden, meinem Leben im Glück. Bei all den Erzählungen über die Zeit davor muß man sich vor Augen halten, daß ich nicht nur bettelarm war, ohne Gas, Strom, Wasser und Kühlschrank lebte, sondern niemanden hatte, der mich liebte. Ich existierte ohne Freundin, war nicht einmal Single, denn für die Frauensuche fehlten mir die Ressourcen. Um zu begreifen, wie glücklich ich inzwischen bin, muß man das wissen. Ich war ja noch nicht einmal Alkoholiker, weil ich mir niemals ein Bier hätte leisten können. Jetzt dagegen ist alles wie im Himmel. Ich hoffe, der imaginierte Leser hatte wenigstens einmal im Leben so eine Durststrecke, weil er mich ja sonst gar nicht verstehen kann. Oder nur schwer. Natürlich muß man nicht alles kennen, um zu begreifen, sonst dürfte man ja weder Dostojewski noch Joseph Conrad lesen. Der Autor muß eben das Geschilderte besonders anschaulich aufbereiten, etwa durch den Sara-Rebecka-Werkmüller-Stil. Ich will mich nun darum ernsthaft bemühen. Habe ich zum Beispiel schon das Ende unserer glücklichen Italienreise erzählt? Ja? Nein? Was denn? Wie wir nach einer spektakulären Nachtfahrt Rom erreichten? Also, das will ich jetzt einmal total literarisch darbieten.



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