Grant County 04 - Schattenblume by Slaughter Karin

Grant County 04 - Schattenblume by Slaughter Karin

Autor:Slaughter, Karin [Slaughter, Karin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Krimis, Thriller, Spionage
Herausgeber: Rowohlt
veröffentlicht: 2014-02-01T16:00:00+00:00


KAPITEL FÜNFZEHN

Hoss’ Stiefel stanken, als wäre er damit durch Fischdärme gewatet, und beim Anblick der angetrockneten Schuppen an den Sohlen schätzte Jeffrey, dass er genau das getan hatte. Die Lederstiefel mit den Stahlkappen waren nicht nur unerträglich heiß, sondern auch bleischwer. Jeffrey konnte sie auf den ersten Blick nicht ausstehen. Lieber wäre er barfuß gegangen, wenn es möglich gewesen wäre.

Als Kind musste Jeffrey immer die abgetragenen Schuhe und Kleider anziehen, die seine Mutter billig auf dem Flohmarkt der Baptistengemeinde kaufte. Er hasste es, anderer Leute Sachen aufzutragen, und als er alt genug war, ließ er das eine und andere Stück im Warenhaus Belk in Opelika mitgehen. In der Schuhabteilung war manchmal so viel los gewesen, dass die Verkäufer den Überblick verloren, und sein erstes Paar Schuhe, das ihm passte, war die Beute eines seiner verwegensten Diebstähle gewesen: Frech wie Oskar war er mit nagelneuen Fünfzehn-Dollar-Schuhen an den Füßen aus dem Kaufhaus hinausmarschiert, und die Sohlen waren noch so glatt, dass er auf dem polierten Marmor fast ausgerutscht wäre. Ihm war beinahe das Herz stehen geblieben, doch als er am nächsten Tag wie ein Hollywoodstar in der Schule auflief, machte das die ausgestandenen Ängste mehr als wett.

In Hoss’ Stiefeln hatte Jeffrey das Gefühl, zwei Tonnen Zement mit sich herumzuschleppen. Zwei Tonnen, die anderthalb Nummern zu groß waren. Er spürte jetzt schon die erste Blase an der Ferse, und in seinen Spann grub sich ein Stein oder eine Fischgräte.

Reggie fuhr genauso langsam wie zuvor und schaffte es, eine Ewigkeit hinter einem Traktor herzukriechen. Er hatte den Polizeifunk leise gedreht und hörte im Radio Country-Musik. Er lenkte mit einer Hand, mit der anderen klopfte er auf der Mittelkonsole den Takt des Hank-Williams-Songs mit.

Jeffrey beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, als sie die Anhöhe von Herd’s Gap hinauf zum Haus von Jessies Eltern fuhren. Reggie Ray war durchschnittlich groß und schlaksig. Er konnte nicht älter als fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig sein, doch sein braunes Haar ging an der Stirn bereits deutlich zurück. Am Hinterkopf wirkte es irgendwie toupiert, und Jeffrey vermutete, dass er sich das Haar über eine kahl werdende Stelle bürstete. Bis Mitte dreißig hatte Reggie höchstwahrscheinlich eine Glatze.

Jeffrey fuhr sich durch sein volles Haar, das einzig Gute, das ihm sein Vater vererbt hatte. Selbst mit sechzig hatte Jimmy Tolliver noch die gleichen dichten Locken wie in der Highschool gehabt. Noch heute trug er es wie damals: zurückgekämmt, gegelt und mit einer Tolle. In seiner gestreiften Gefängniskluft sah er aus wie ein Statist in einem Elvis-Film.

Reggie fragte: «Was gibt es zu grinsen?»

Jeffrey ertappte sich, wie er bei der Erinnerung an seinen Alten tatsächlich lächelte, doch das konnte er Reggie schlecht sagen. Nicht nach dem, was Jimmy Reggies Familie angetan hatte. «Nichts weiter», murmelte er.

«Diese Stiefel stinken wie Scheiße», sagte Reggie und kurbelte das Fenster herunter. Heiße Luft wehte herein wie aus einem Schlot. «Was hast du mit deinen Schuhen gemacht?»

«Ich habe sie Sara gegeben», antwortete Jeffrey ohne weitere Erklärung.

«Scheint ein netter Mensch zu sein.»

«Ja», sagte Jeffrey, und dann, um Reggie zuvorzukommen: «Keine Ahnung, was sie mit einem Kerl wie mir will.



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