Geschichte der Hirnforschung by Oeser Erhard

Geschichte der Hirnforschung by Oeser Erhard

Autor:Oeser, Erhard [Oeser, Erhard]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783534706457
Herausgeber: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Die evolutionäre Begründung des Tier-Mensch-

Vergleichs in der Hirnforschung: Darwin, Huxley

und die Folgen

So unterschiedlich, ja konträr die Meinungen von Gall und Flourens im Bezug auf die Frage Lokalisation oder Äquipotenz der Großhirnrinde waren, beide benutzen den Tier-Mensch-Vergleich für die Hirnforschung. Sowohl die Verhaltensbeobachtungen von Gall als auch die grausamen Experimente von Flourens gingen von der Voraussetzung aus, dass die Gehirne von Tieren und Menschen grundsätzlich eine ähnliche Struktur besitzen und daher auch ähnliche Funktionen vorhanden sein müssen, vor allem, was die Steuerung der lebenswichtigen Funktionen Atmung und Herztätigkeit und die sensorischen und motorischen Funktionen betrifft. Aber keiner von beiden führte diese Ähnlichkeiten von Struktur und Funktion des Gehirns von Tieren und Menschen auf Verwandtschaft zurück, die Kluft zwischen Mensch und Tier war für beide unüberbrückbar. Diese Auffassung sollte sich mit dem Auftreten der Evolutionstheorie Darwins radikal ändern.

Darwin führt als eine der Tatsachen, welche für die Abstammung des Menschen von einer niederen Form zeugen, an, dass auch das Gehirn des Menschen „denselben Bildungsgesetzen“ wie das der anderen Säugetiere gehorcht. Wie alle Knochen seines Skelettes mit den entsprechenden Knochen eines Affen oder einer Fledermaus oder Robbe verglichen werden können, ebenso die Muskeln, Nerven Blutgefäße und Eingeweide, so kann auch das „bedeutungsvollste aller seiner Organe“, das Gehirn, mit dem Gehirn eines Schimpansen und Orang verglichen werden.

Entgegen den mit eigentümlicher Zähigkeit immer wieder aufgestellten Behauptungen, dass die Gehirne aller Affen, selbst der höchsten, von dem des Menschen abweichen, weil bei ihnen so auffällige Gebilde des menschlichen Gehirns, wie der hintere Lappen der Großhirnhemisphären mit dem hinteren Horn der Seitenventrikel und des darin enthaltenen Hippocampus minor, fehlen sollen, haben bereits zeitgenössische Gegner der Evolutionstheorie Darwins unter den Hirnanatomen zugeben müssen, dass diese Organe im Gehirn aller Affen mit Ausnahme der Lemuren ebenso gut wenn nicht besser entwickelt sind. Auch haben die lange Reihe der anatomischen Untersuchungen, die auf die Anordnungen der komplizierten Furchen und Windungen auf der Oberfläche der Großhirnhemisphären beim Menschen und den höheren Affen gerichtet waren, eindeutig die große Ähnlichkeit, ja sogar grundsätzliche Gleichheit gezeigt: „Jede Hauptwindung und jede Hauptfurche eines Schimpansengehirns ist in dem Gehirn eines Menschen deutlich vertreten, so daß die für den einen Fall angewandte Terminologie auch auf den anderen paßt“ (Huxley in Darwin, Bd. 1 1875, S. 261).

Sogar der von Darwin und seinem Mitstreiter Thomas Henry Huxley als Gegner bezeichnete deutsche Anatomieprofessor Bischoff stellte in einer Abhandlung, die noch vor Darwins ›Abstammung des Menschen‹ (1871) erschienen ist, fest: „Daß die Affen und namentlich Orang, Schimpanse und Gorilla dem Menschen in ihrer ganzen Organisation sehr nahe stehen, viel näher als irgend ein anderes Tier, ist eine altbekannte, von niemand bezweifelte Tatsache. Von dem Gesichtspunkt der Organisation allein aufgefaßt würde wohl niemand jemals der Ansicht Linnés entgegengetreten sein, den Menschen nur als eine besondere Art an die Spitze der Säugetiere und jener Affen zu stellen. Beide zeigen in allen ihren Organen eine so nahe Verwandtschaft, daß es ja der genauesten anatomischen Untersuchungen bedarf, um alle dennoch vorhandenen Unterschiede nachzuweisen. So steht es auch mit den Gehirnen. Die Gehirne des Menschen, Orang, Schimpansen,



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