Geh auf Magenta by Stephan Kaluza

Geh auf Magenta by Stephan Kaluza

Autor:Stephan Kaluza [Kaluza, Stephan]
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


5

Bis zum Atelier waren es nur ein paar hundert Meter, und Bastien stapfte zügig durch den Schnee. Der Wind blies ihm frontal ins Gesicht, und einen Moment lang bereute er, Rob seinen Mantel gegeben zu haben. Aber dieser hatte ihn heute nötiger als er, seinem besten Freund gab man eben auch das letzte Hemd. Er hielt sich die Arme schützend um den Oberkörper und ging weiter, durch die Straßen fegten jetzt eisige Böen und wirbelten den Schnee hoch, eine apokalyptische Endzeitstimmung. Er blieb einen Moment lang in einem Hauseingang stehen, ging dann neugierig weiter in den geschützten Hinterhof. Irgendwo hier befand sich das Café, in das er und Thomas nach dessen Atelierbesuchen oft gegangen waren, meistens sehr redselig und in bester Laune. Für Thomas waren diese Atelierbesuche immer eine Abwechslung in seinem Geschäftsleben, für Bastien verhießen sie immer das dringend benötigte Kleingeld jenseits der schmalen Einkünfte aus seinen Galerien. Aber manchmal trieben diese Nachmittage auch Blüten der anderen Art, so Bastiens neues Faible für ökonomische Strukturen. Thomas zeigte allerdings ein ostentatives Desinteresse an seinen Fragen zu den Methoden der Marktforschung – nach welchen Kriterien die Probanden ausgesucht würden und wie die Verwertbarkeit ihrer Antworten in der Regel aussehe; es käme ja nur darauf an, auf was man dieses Prinzip anwenden würde, zum Beispiel auf die Kunst, das hätte noch keiner gemacht. Thomas sah ihn skeptisch an, Marketing und Kunst, das wäre schon irgendwie mies, die Kunst hätte so etwas ja wohl nicht nötig. Genau deshalb, entgegnete Bastien, man würde es eben mies finden, wenn die Kunst sich solcher Dinge bedienen würde, und genau darin läge die Neuerung. Man müsse sich nur vorstellen, dass man diese Probanden nach ihren Lieblingsfarben, ihren Lieblingsmotiven und stilistischen Vorlieben befragen würde, am Ende hätte man doch die Angaben für das erfolgreiche Bild schlechthin. Das könne man dann malen und ausstellen, eine echte Provokation. Es würde eben diesen dummen Glauben torpedieren, dass Kunst stets vom Genie des Künstlers abhängig sei. Er ließ eine dramatische Pause verstreichen, bevor er fortfuhr: »Die Kunst versteht sich doch als bedeutungsgenerierend; sie findet also nicht über eine besondere physische Wertschätzung, zum Beispiel von besonderer Materialität, statt, sondern eher über Definition; welcher Gegenstand Kunst sein kann, was wir generell als Kunst begreifen und akzeptieren, hängt mit einer vorherigen Definition zusammen. Ein Glas Wasser auf dem Schreibtisch ist erst einmal nur ein Glas Wasser, steht dieses aber im Museum, so ist es etwas ganz anderes; die Kunst nimmt sich diese demiurgische Freiheit, und das ist auch gut so, die Kunst versklavt sich also nicht der Materialität, sondern begreift sich selbst als sinngebend. Heißt: der Zugang zur Kunst kann über zwei Wege funktionieren – zum einen über den der Definition eines Gegenstandes oder einer Handlung als Kunst, und zum anderen über eine kunstimmanente Form, die wir als Hinweis und Symbol für eine Aussage begreifen, die zum Teil auch in der menschlichen Kulturpsyche verankert ist: ein Querbalken bedeutet uns ein Stopp, eine Wellenlinie eine Leichtigkeit, die Farbe Rot markiert Gefahr. Die Voraussetzung für diese bildliche



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