Gegen alle Zeit by Tom Finnek

Gegen alle Zeit by Tom Finnek

Autor:Tom Finnek
Die sprache: deu
Format: mobi
Tags: Historischer Roman
Herausgeber: Lübbe Digital
veröffentlicht: 2011-11-14T23:00:00+00:00


7

Bess war nach wie vor völlig durcheinander und konnte sich keinen Reim auf Henrys merkwürdiges Verhalten und seine unverständlichen Worte machen. Sie saß auf einem Stein unter der alten Feldulme, deren immer noch dichtes Blätterdach den Blick auf den wolkenlosen Sternenhimmel und die schmale Mondsichel versperrte, und versuchte zu ergründen, was um alles in der Welt in Henry Ingram gefahren war. Was hatte das zu bedeuten? Was wollte der Kerl von ihr? Wobei sollte sie ihm helfen? Und von welchem Verräter hatte er gesprochen?

Ebenso unbegreiflich und beinahe noch verstörender waren jedoch ihre eigenen widerstreitenden Gefühle und widersprüchlichen Gedanken. Ganz andere Fragen gingen ihr im Kopf herum: Was wollte sie von Henry? Wieso war sie so enttäuscht gewesen, als seiner festen Berührung kein fordernder Kuss gefolgt war? Und wieso raste ihr Herz bei dem Gedanken an Henrys verzweifelte Tränen und bei der Erinnerung an den ranzigen Geruch seiner Haare?

Bess hatte sich nicht unter Kontrolle, sie war nicht mehr Herrin ihrer selbst, und das machte ihr Angst. Es bedeutete Gefahr. Sie hatte das schon einmal erlebt und sehnte sich wahrlich nicht nach einer Wiederholung. Das hatte sie sich hoch und heilig geschworen!

Mit Gewalt musste sie ihre Gedanken wieder auf ihre jetzige Situation und Mission lenken. Die Sonne war seit Langem untergegangen, das dunkle Purpur des Himmels war zu einem undurchdringlichen Schwarz geworden. Bess hatte jedes Gefühl für die Zeit verloren, doch dass Mr. Milton nicht mehr zu ihrem Treffen erscheinen würde, begriff sie dennoch. Es musste inzwischen gegen Mitternacht gehen. Ob sie womöglich zu spät gekommen war? Nein, Mr. Milton hatte gesagt: »Kommt nach Sonnenuntergang zur alten Ulme.« Und sie war da gewesen. Pünktlich. Mit dem Gin, den er sich als Dank erbeten hatte. Den würde sich der Trinker doch bestimmt nicht entgehen lassen. Nicht aus freien Stücken!

Der Gedanke, der sich ihr mit einem Mal aufdrängte, war beunruhigend. Vielleicht war Mr. Milton daran gehindert worden, zur Ulme zu kommen. Und ohne rechten Grund hatte sie plötzlich das schiefe Grinsen des Wirts vor Augen, als er ihr die Flasche Gin verkauft hatte. Als hätte er bereits gewusst, dass sie mit dem Schnaps nichts mehr ausrichten könnte.

Sie fuhr erschrocken in die Höhe, raffte ihr Kleid und lief stolpernd den Hügel hinunter, bis sie die Hainbuchen erreicht hatte, welche die bewirtschafteten Felder in der Ebene umgaben. Für einen kurzen Augenblick hatte sie den Eindruck, dass sich hinter ihrem Rücken etwas bewegte, doch als sie zum Hügel von Piper’s Green zurückblickte, konnte sie nichts erkennen.

»Mr. Milton?«, rief sie in die Dunkelheit, doch es antwortete ihr nur der Ruf einer Waldohreule. Bess wartete eine Weile, aber es blieb alles ruhig, und keinerlei Bewegung deutete darauf hin, dass sich außer ihr noch jemand in Piper’s Green aufhielt.

Auf dem Weg nach Edgworth hielt sie nach allen Seiten Ausschau, ohne recht zu wissen, wen oder was sie zu sehen hoffte oder fürchtete. Kein Mensch begegnete ihr, kein verdächtiger Ton drang an ihr Ohr, bis sie die Kirche von St. Margaret erreicht hatte. Und als sie unweit der Kirche flackerndes Licht



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.