Gefrorene Seelen by Giles Blunt

Gefrorene Seelen by Giles Blunt

Autor:Giles Blunt
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2011-11-14T18:37:49+00:00


28

Lise Delorme hatte nicht viele Freunde bei der Kripo. Die Arbeit in der Abteilung für Sonderermittlungen, die auch Beamtendelikte einschloss, war nicht dazu angetan, sich Freunde zu machen. Außerdem war sie nicht der Typ, der sich aufdrängte oder sich leicht in eine Gruppe einfügte. Wenn es um Freundschaften ging, war sie auf ihre Klassenkameraden aus der Highschool-Zeit angewiesen, und das war die meiste Zeit nicht so leicht. Da waren auf der einen Seite diejenigen, die studiert hatten und dann verändert oder verheiratet, zumeist beides, zurückgekehrt waren. Und dann waren da all die anderen, die nicht aufs College gegangen waren und deren Horizont über ihren Highschool-Freund und ein Kind mit achtzehn nicht hinausreichte.

Die meisten Schulfreundinnen hatten mittlerweile Kinder, und das bedeutete, dass Delorme nicht das Hauptinteresse ihres Lebens teilte. Wenn sie sich mit alten Bekannten traf, erkannte sie an deren Blick, dass sie die Veränderung bei Lise Delorme bemerkt hatten. Ständig unter Männern zu arbeiten hatte sie härter gemacht, und auf eine Weise, die ihr selbst teilweise verborgen blieb, war sie im Umgang mit Frauen zurückhaltender und weniger geduldig geworden.

All das zusammen führte dazu, dass sie eine beträchtliche Zeit allein verbrachte. Aus diesem Grund hatte sie, anders als alle anderen bei der Kripo, unausgesprochen Angst vor dem Feierabend. Als Cardinal sie dann eines Abends mitten im Schreiben von Akten mit dem Vorschlag überraschte, zu ihm nach Hause zu fahren und dort ein Brainstorming abzuhalten, weckte das alle möglichen Gefühle in ihr, Schwalben nicht unähnlich, die sich in ihre Nester unterm Scheunendach drängen. »Keine Sorge«, hatte Cardinal gefrotzelt, ehe sie überhaupt etwas antworten konnte, »ich werde Sie nicht mit meinen Kochkünsten traktieren. Wir können uns eine Pizza ins Haus bestellen.«

Delorme zögerte und sagte, sie wisse nicht so recht. Abends sei sie immer ziemlich müde; sie würde daher wohl kaum einen Wirbelwind neuer Ideen entfesseln.

»Fehrenbach fällt als Verdächtiger aus, stimmt’s? In welche Richtung sollen wir jetzt ermitteln?«

»Ich weiß, es ist nur …«

Cardinal hatte sie mit einem leichten Stirnrunzeln angesehen. »Lise, wenn ich Ihnen Avancen machen wollte, dann sicherlich nicht bei mir zu Hause.«

*

Dann war jeder in seinem Auto zu Cardinals winterkaltem Cottage an der Madonna Road gefahren, wo Cardinal erst einmal im Kamin Feuer machte. Delorme war ganz gerührt, wie freundlich er war. Er zeigte ihr Tischlerarbeiten, die er für die Küche angefertigt hatte, und dann ein großes Landschaftsbild – eine Ansicht des Trout Lake mit der NORAD-Luftwaffenbasis im Hintergrund –, das seine Tochter im Alter von zwölf Jahren gemalt hatte. »Die künstlerische Ader hat sie von ihrer Mutter. Catherine ist Fotografin«, erläuterte er und zeigte auf das sepiabraune Foto eines einsamen Ruderboots an einem unbekannten Ufer.

»Die beiden müssen Ihnen fehlen«, hatte Delorme gesagt. Es war ihr so herausgerutscht, und sie bereute es sogleich. Doch Cardinal hatte nur mit den Achseln gezuckt und das Telefon zur Hand genommen, um die Pizza zu bestellen.

Als die Pizza kam, hatten sie schon einige Ideen durchgespielt. Der Grundgedanke beim Brainstorming bestand darin, dass man über die Vorschläge des anderen kein Urteil abgeben durfte; es war verboten, den anderen in irgendeiner Weise in seinem Gedankenfluss zu hemmen.



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