Garbo, der Spion by Arne Molfenter

Garbo, der Spion by Arne Molfenter

Autor:Arne Molfenter [Molfenter, Arne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3492966268
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2014-04-13T22:00:00+00:00


Kapitel 9

Die ›Artist‹-Affäre

Lissabon, April 1944

Er besaß einen Rolls-Royce Silver Ghost, aber keinen Führerschein. Wenn Johann ›Johnny‹ Jebsen sich von Estoril, wo er in einer herrschaftlichen Villa mit vier Dienstboten lebte, nach Lissabon fahren ließ, genoss er die bewundernden Blicke, die sein Auto erregte. Jebsen war der Sohn eines wohlhabenden Reeders, und obwohl er in Hamburg geboren worden war, hatte er wie seine Eltern und Großeltern ursprünglich einen dänischen Pass besessen. Erst im Alter von zwölf Jahren erhielt Jebsen die deutsche Staatsbürgerschaft. Er war ein Mann der Widersprüche.

Sein Auftreten und seine Manieren verrieten stets seine Herkunft aus der hanseatischen Oberschicht. Er trug Maßanzüge und ein Monokel im linken Auge. Sein rotblondes, strähniges Haar war meist ungekämmt und sein Schnurrbart ungepflegt. Fast immer hielt ›Johnny‹ eine Zigarette in der Hand, er rauchte bis zu 100 Stück am Tag, seine Zähne waren bräunlich-gelb verfärbt. Er war erst 30, sah aber zehn Jahre älter und sehr ungesund aus. Seine auffällige Blässe hob sich stark von den nikotingelben Zähnen ab.169 In den Bars und Restaurants von Lissabon und im Kasino von Estoril bestellte ›Johnny‹ ausschließlich Champagner und aß kaum etwas. Oft fuhr er nach Madrid, wo er in zwei »geheimen« Kinos seiner Vorliebe für pornografische Filme nachging. Mit seinem Rolls-Royce ließ er gern hübsche, junge Sekretärinnen aus der deutschen Botschaft zu sich in seine Villa bringen und lud sie zum Abendessen bei Kerzenschein ein.170 Häufig hatte er mehrere Affären gleichzeitig. In seiner Freizeit gab er sich völlig dem Verfassen philosophischer Schriften hin.

Dem Militärdienst in Deutschland hatte er in den Dreißigerjahren unbedingt entgehen wollen. Deshalb ließ er sich von der Abwehr anwerben. Schon bald arbeitete er für den Finanzchef der Organisation und konnte so ohne allzu großes Risiko weiter seine eigenen Geschäfte verfolgen. Da er für die Abwehr täglich große Summen Geld bewegte, fiel es nicht weiter auf, dass er nebenher noch andere, private Transaktionen abwickelte. Seine Arbeit für die Abwehr brachte ihm auch den Vorteil, mit vielen potenziellen Geschäftspartnern in Kontakt zu kommen. Jebsen fuhr zweigleisig: Einerseits war er Mitarbeiter der Abwehr, andererseits war er an obskuren Finanzgeschäften beteiligt; viele davon liefen im Auftrag hochrangiger Nationalsozialisten.

Hitler und die NSDAP hatte er von Beginn an verabscheut. Darin war er durch seine Studienzeit an der Universität Freiburg entscheidend geprägt worden. Dort hatte Jebsen 1936 schnell Freundschaft mit seinem serbischen Kommilitonen Dušan Popov geschlossen. Beide verband ihre Liebe zu schnellen Autos, Partys, Frauen und die Ablehnung ihrer nationalsozialistischen Kommilitonen. Popov und Jebsen hatten sich während der Diskussionsabende in der ›Deutschen Ausländischen Gesellschaft‹ angefreundet – einem Klub für ausländische Studenten. Jebsen war der Vorsitzende dieser Gesellschaft. Bei einer der Debatten im Freiburger ›Ausländerklub‹ hatte sich Popov mit Verve für die Demokratie stark gemacht und sich unmissverständlich gegen die Anhänger des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds und gegen die brutalen Taten von SA und SS ausgesprochen. Offiziell herrschte im Klub Meinungsfreiheit, doch seine offenen Worte hatten Popov schließlich acht Tage Gestapohaft eingebracht, und Jebsen musste seinen ganzen Einfluss geltend machen, um seinen Freund zu befreien. Nach intensiven Verhören wurde Popov aus Deutschland ausgewiesen.



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